Was iste der unterschied zwischen gangrän und nekrosen forum pflegenetz

WUND FORUM Ausgabe 4/2000 ISSN 0945 6015 E 30725 F TITELTHEMA WIEVIEL FUSS IST BESSER ALS GAR KEINER? FORSCHUNG Problemerreger auf Intensivpflegestationen unter Berücksichtigung von MRSA KASUISTIK Prinzip der arterio-venösen Fistel in der Wiederherstellung komplizierter Unterschenkeldefekte PRAXISWISSEN Anwendung hydroaktiver Wundauflagen

WundForum INTERN Inhalt Editorial AKTUELLES HARTMANN Pflegepreis 2000 Gewinner ermittelt... 4 Buchtipp... 6 Kurzmeldungen... 7 Termine... 7 Rechtsprechung: Jetzt in Kraft das Infektionsschutzgesetz... 9 TITELTHEMA Diabetisches Fußsyndrom: Wieviel Fuß ist besser als gar keiner?... 11 FORSCHUNG Problemerreger auf Intensivpflegestationen unter Berücksichtigung von MRSA... 15 KASUISTIK Prinzip der arterio-venösen Fistel in der Wiederherstellung komplizierter Unterschenkeldefekte... 21 Rettung einer freiliegenden Knieprothese mit mikro-vaskulärem Latissimus dorsi Lappen... 23 PRAXISWISSEN Fortbildung Wunde und Wundbehandlung (IV): Die Wundinfektion... 24 Die gezielte Anwendung hydroaktiver Wundauflagen... 30 Verehrte Leserinnen und Leser, wer sich in der Zeit vom 10. September bis Anfang Oktober einigermaßen umfassend und hautnah darüber informieren wollte, was sich in Sachen Wundheilung und Wundbehandlung weltweit Neues tut, der war gut und gerne drei Wochen ununterbrochen auf Achse. Dr. Klaus Schenck, Mitglied des WundForum Expertenbeirates, hat diese Kongressreise über drei Kontinente hinter sich gebracht und konnte dabei eine ganze Reihe interessanter Erkenntnisse und Erfahrungen sammeln. Dass der interdisziplinäre Dialog immer internationaler oder gar interkontinentaler wird, zeigte sich eindrucksvoll beim First World Wound Healing Congress, der vom 10.-13. September in Melbourne stattfand. Dabei waren fast tausend Teilnehmer aus insgesamt 30 Ländern; aus Europa kamen immerhin knapp 100 der Kongressbesucher. Und das wissenschaftliche Programm war offenbar ebenso vielfältig wie durch hochkarätige Referenten besetzt. Alles was Rang und Namen in der internationalen Wund-Szene hat, hatte sich in Melbourne eingefunden: Mark Ferguson, Finn Gottrup, Vincent Falanga, Keith Harding, Thomas Hunt, David Leaper, um nur einige der weit über 100 Speaker aus aller Welt zu nennen. Für die gerade anlaufende Olympiade in Sydney blieb nur wenig Zeit, denn bereits in der folgenden Woche stand in Xi An die 15. Jahrestagung der chinesischdeutschen Gesellschaft für Medizin auf dem Programm, wobei auch hier die Wundheilung eines der zentralen Themen war. Im Mittelpunkt: Tissue Engineering und allein 30 Referate über Biosignale und Biomaterialien. Zurück in Europa drehte sich bei der Jahrestagung des European Pressure Ulcer Advisory Panel Ende September in Pisa alles um den Dekubitus. Von den über 700 Teilnehmern aus 22 Ländern kamen gerade mal vier aus Deutschland und je zwei aus Österreich und der Schweiz. Vielleicht lag das ja einfach nur daran, dass schon eine knappe Woche später in Zürich das 4. SAfW Symposium, die Jahrestagung der Schweizer Wundheilungsgesellschaft, stattfand. Die Highlights hier: Prof. Sabine Werners Referat zum Thema Wachstumsfaktoren in der Wundheilung und der Abschlussvortrag von Hans Jörg Keel über Paracelsus und seine Wundphilosophie. Einige der interessantesten Beiträge von allen vier Kongressen werden wir in den nächsten Ausgaben des HARTMANN WundForum veröffentlichen. Details zu den Kongressen können bei Interesse auch direkt per E-Mail (Klaus.Schenck@ hartmann-online.de) oder Fax (0 73 21 / 36 36 40) abgerufen werden. Bis zum nächsten Mal Leitfaden für Autoren... 34 Impressum... 34 Kurt Röthel Marketingdirektor der PAUL HARTMANN AG HARTMANN WundForum 4/ 2000 3

AKTUELLES HARTMANN Pflegepreis Gewinner ermittelt Preise am 13. Oktober 2000 in Heidenheim verliehen Am 1. September 2000 tagten in Heidenheim die deutsche und die internationale Jury, um die Preisträger des HARTMANN Pflegepreises zu ermitteln. Zunächst wurden die besten deutschen Arbeiten bestimmt; anschließend wurde in einem zweiten Bewertungsgang aus dem Kreise aller zuvor ermittelten europäischen Landessieger der Hauptpreisträger ausgewählt. Das Thema der diesjährigen Ausschreibung lautete: Behandlungsteam chronische Wunde Kooperation ohne Schranken? Die Bedeutung einer fachübergreifenden Zusammenarbeit bei der Betreuung und Versorgung von Personen mit chronischen Wunden der Haut. Als beste deutsche Arbeit ging nach einstimmigem Urteil der Jury der Beitrag der Diakoniestation Bad Reichenhall in Piding hervor. Die Verfasser Ewald Gratzl, Martina Vogel und Christine Kantsperger haben in ihrer Arbeit Neue Impulse durch Einführung eines 1 2 professionellen Wundteams besonderen Weitblick bewiesen. Die Jury bewertete den Beitrag als ein Konzept mit Herz, Kopf und Hand. Darin würden auf innovative Weise, beispielhaft und Mut machend berufsgruppen-, einrichtungs- und länderübergreifend Vernetzung und Kooperation umgesetzt. Die vollständige Arbeit ist nebenstehend abgedruckt. Zweiter deutscher Landessieger ist der Beitrag von Beate Eisenschink, Arbeitsgruppe Dekubitus am St. Theresien-Krankenhaus in Nürnberg, mit dem Titel Multidisziplinäre Betreuung von Patienten mit Problemwunden. Auch der dritte Preis ging nach Nürnberg, und zwar an die Arbeitsgruppe Wundversorgung Thomas Hafki, Daniela Hauenstein, Monika Wartenberg und Margit Wegele. Die Gruppe ist auf der nephrologischen Intensivstation des Klinikums Nürnberg tätig. Daneben einigte sich die Jury darauf, einen Sonderpreis zu vergeben. Die Arbeit der Wundberater der Chirurgischen Klinik des Kreiskrankenhauses Dormagen, Annemarie Stolz-Mennekens, Cordula Bordihn, Saskia Daverzhoven und Steffi Mauth, war durch ihr hervorragendes Konzept und ihre Beispielhaftigkeit in die engere Wahl gekommen. Die Hauptgewinnerin des HART- MANN Pflegepreises 2000 stammt aus Ungarn. Die Diplom-Krankenschwester Ida Arany Sastinné aus dem Erzebet- Krankenhaus in Hódmezövásárhely legt in ihrer Arbeit Die Bedeutung einer interdisziplinären Pflege bei der Versorgung chronischer Wunden die Schlüsselrolle der Pflegenden dar und vertritt in engagierter Weise den Standpunkt, dass Pflegende den Angelpunkt für miteinander verzahnte Gesundheitsdienste darstellen können und sollen. Die Jury bezeichnete die Verfasserin als Pionierin mit weltweitem Blick, die sich unter äußerst schwierigen Umständen aufgemacht hat, ein Konzept umzusetzen, das den Patienten in den Mittelpunkt der Pflege stellt. Dabei sei sie Motor für das Entstehen eines therapeutischen Teams. Die offizielle Preisverleihung, zu der alle ersten Landessieger eingeladen waren und auch kamen, fand am 13. Oktober in Heidenheim statt. Alle preisgekrönten Arbeiten können auch in diesem Jahr wieder in Form von Skripten bei der PAUL HARTMANN AG bestellt werden (Telefon 07321/ Zur stimmungsvollen Preisverleihung fanden sich alle Landessieger des HARTMANN Pflegepreises 2000 in Heidenheim ein. 1) Die Landessieger aus Belgien, Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden, Österreich, der tschechischen Republik und Ungarn. 2) Die Landessieger Deutschland. 3) Der Hauptpreis und die Trophäe gingen an die Diplom-Krankenschwester Ida Arany Sastinné (rechts) aus Ungarn. 4) Ida Arany Sastinné im Gespräch mit der Presse. 3 4 4 HARTMANN WundForum 4/ 2000

AKTUELLES 361313). Erstmalig sind die Texte auch im Internet auf der HARTMANN- Website unter dieser Adresse abrufbar: http://www.hartmann-online.com/short cuts/pflegepreis2000.htm. HARTMANN Pflegepreis 2000 Neue Impulse durch Einführung eines professionellen Wundteams Dass man vor den Schwierigkeiten in der ambulanten Wundversorgung nicht kapitulieren muss, sondern vielmehr mit Engagement und Professionalität neue Impulse geben kann, bewies das Wundteam der Diakoniestation Bad Reichenhall in eindrucksvoller Weise. Sie wurden mit ihrer Arbeit Landessieger Deutschland beim HARTMANN Pflegepreis 2000. GRUNDGEDANKEN Die Schere zwischen möglichen modernen Behandlungsformen chronischer Wunden und den von den verschiedenen Fachdisziplinen angeordneten Maßnahmen wurde in unserer Sozialstation immer größer. Ärzte verordneten nur noch einfache Mittel, Möglichkeiten der modernen Wundversorgung wurden abgelehnt. Anderen befragten Stationen erging es ebenso. Für unsere Sozialstation war es wichtig, nach den Ursachen dieser Tendenz zu forschen. Durch eine Umfrage kam man zu einem einfachen, aber erstaunlichen Ergebnis: Die Ärzte fühlten sich nicht auf dem neuesten Wissensstand, lehnten neue Methoden als zu teuer ab und bemängelten die Fachkompetenz der Pflegekräfte. Jede Schwester will jeden Tag etwas anderes für den gleichen Patienten, da mache ich nicht mit!, sagte ein Arzt. Eine Zusammenarbeit mit einem speziellen Wundpflegepersonal als Ansprechpartner wurde befürwortet. Grund genug, hier Handlungsbedarf zu sehen. Wie aus der Umfrage zu sehen war, stellt mangelnde Professionalität ein großes Hindernis in der interdisziplinären Zusammenarbeit dar. So war es von entscheidender Bedeutung für die erfolgreiche Einführung eines Wundteams, das Projekt mit strategischer Planung vorzubereiten. Dieses wurde von Anfang an als Erarbeitung eines neuen Geschäftsbereiches gesehen, zudem sollte die Grundstruktur anschließend für die Bereiche Heimbeatmung, Peridonaldialyse und PEG- Sonden übernommen werden, um auch hier mit gleicher Professionalität vorgehen zu können. Zudem war klar, dass ein Wundteam mit hoher Qualifikation nur dann wirtschaftlich arbeiten kann, wenn stationsübergreifend dieses Fachteam herangezogen wird. Sehr sorgfältig wurde ausgewählt, welche Mitarbeiter mit dieser Aufgabe betraut werden. Berufserfahrung in chirurgischen Stationen, Bereitschaft zur Weiterbildung, Feingefühl im Umgang mit den Kollegen und sicheres Auftreten in den Verhandlungen mit Ärzten waren zwingende Voraussetzung. Die Ablaufstrukturen sollten vom Wundteam in Zusammenarbeit mit Pflegedienstleitung und Geschäftsführung erarbeitet werden. Mit Christine Kantsperger und Martina Vogel, beide examinierte Krankenschwestern mit den oben beschriebenen Voraussetzungen, wurden zwei erste ideale Mitarbeiterinnen gewonnen. ALLGEMEINE VORBEREITUNG Infos über Verbandmaterial und Kosten der verschiedenen Anbieter mussten eingeholt, fachspezifische Fortbildungen bei den Firmen angefordert und die Mitgliedschaft in der deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung beantragt werden. Es wurde festgelegt, dass das bestehende Krankenpflegeteam der Station nicht von der Wundversorgung ausgeschlossen, sondern für die Durchführung besonders qualifiziert wird. Spezielle Standards für die gängigen Verbandtechniken sollen im Team erarbeitet werden. Die Aufgabe des Wundteams ist es, in erster Linie Kontaktund Beratungsstelle für die verschiedenen Bereiche zu sein, und es muss die fachliche Übernahme der Patienten vom Hausarzt oder Krankenhaus sicherstellen. Hierzu gehören das Absprechen der Verbandtechnik mit dem behandelnden Arzt, Besorgung des Verbandmaterials, Vorbereiten der häuslichen Umgebung und die Ausarbeitung der Wunddokumentation. STATIONSINTERNE VORBEREITUNGEN Als Erstes wurden die Mitarbeiter informiert. Von Zustimmung und Erleichterung bis zu Neid und Ablehnung waren anfangs alle Verhaltensmuster erkennbar. Da der erste Schritt, die Unterstützung und Qualifizierung der Mitarbeiter, stationsintern stattfand, konnten hier bereits erste Erfahrungen gesammelt werden. Nach kurzer Zeit waren auch die internen Kritiker überzeugt, dass es nicht darum geht, ihre Kompetenz zu beschneiden. Zugleich war die Ankündigung der Erweiterung des Angebotes auf andere Bereiche ein Anreiz zur Mitarbeit. Firmenfortbildungen sind eine sehr wertvolle Hilfe. Überzeugungsarbeit für die Wichtigkeit der Spezialisierung von Fachbereichen wird von externen Referenten meist leichter nahe gebracht. Auch erhielten die Mitarbeiter unseres Wundteams in den Vor- und Nachgesprächen wertvolle Hinweise für die Argumentation bei Ärzten und Krankenkassen. Mit der Vorstellung des Projektes bei den Krankenkassen konnten Misstrauen behoben und interne Genehmigungsvorschläge erarbeitet werden. STARTPHASE Drei Tage vor dem persönlichen Erstkontakt des Wundteams wurden offizielle Briefe des Geschäftsführers über den neuen Dienst an die Ärzte versandt. Erschwerend sahen wir, dass Ärzte täglich von Vertretern besucht werden und eine gewisse Abwehrhaltung zu erwarten war. Überraschenderweise nahmen sich alle Ärzte viel Zeit. Durch die Vorstellung des Konzeptes konnte ein erstes Vertrauensverhältnis aufgebaut werden. Gezielte Fragen der Ärzte über Verbandtechniken, aber auch Wirtschaftlichkeit und Vorgehensweise nahmen viel Platz im Gespräch ein. Ohne die weit reichenden fachlichen Vorbereitungen des Wundteams wäre schon hier eine sinnvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich gewesen. Am Ende aller Gespräche war ein erfolgversprechender Grundstock geschaffen. Mit gleicher Strategie wurden die wichtigsten Stationen, Pflegedienstleitung und Sozialabeiterinnen im Krankenhaus besucht. Zusätzlich fand ein interessanter Informationsaustausch mit der Krankenpflegeschule statt. HARTMANN WundForum 4/ 2000 5

AKTUELLES BUCHTIPP A. Karenberg Fachsprache Medizin im Schnellkurs Wer im Gesundheitswesen tätig ist oder sein wird, für den spielt das Verstehen medizinischer Fachbegriffe, die Krankheiten, Untersuchungsmethoden oder Behandlungsverfahren bezeichnen, eine zentrale Rolle im Berufsleben. Zum Erlernen dieser medizinischen Fachsprache steht nun ein Lehrund Arbeitsbuch mit völlig neuartigem Konzept zur Verfügung, das ebenso für Kurse wie für das Selbststudium geeignet ist. Das Lehr- und Arbeitsbuch zeichnet sich dabei durch klare inhaltliche Schwerpunkte aus. Es bietet eine benutzerfreundliche Gliederung mit einführenden Kurztexten, Vokabeltabellen und stützenden Reviews, eine pragmatische Reduktion des Stoffes und Fokussierung auf solche Wortfelder, die für Gesundheitsberufe im Mittelpunkt stehen, sowie eine konsequente Integration amerikanischer Fachbegriffe und damit Zugang zur wichtigsten Publikationssprache der medizinischen Fachwelt. Das Lehr- und Arbeitsbuch ist aber auch didaktisch so gut gestaltet, dass es Spaß am Wissenserwerb vermittelt und eine selbstständige Strukturierung des Lernens mit Hilfe von 200 Übungen mit Lösungsschlüssel vermittelt. F. K. Schattauer Verlagsgesellschaft mbh, Stuttgart, 2000, 239 Seiten, DM 39,90, ISBN 3-7945- 2053-X DURCHFÜHRUNG Nach diesem Schritt hin zu den wichtigsten Geschäftspartnern war es entscheidend, der Ankündigung nun auch die versprochene Qualität folgen zu lassen. Schnell wurden von niedergelassenen und klinisch tätigen Ärzten erste Versuchspatienten an uns vermittelt. Das Wundteam machte den Erstbesuch, stellte einen Wundversorgungsplan auf. Damit wurde wieder Rücksprache mit den behandelnden Ärzten genommen. Wir wollten nicht den Anschein des allwissenden Wundteams vermitteln, sondern den Arzt aktiv bei der Wundversorgung unterstützen. Auch hier wurde uns sehr viel Wohlwollen entgegengebracht. Die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme wurde immer sehr direkt hinterfragt. Es konnten auch teuere Präparate eingesetzt werden, wenn deutlich gemacht wurde, dass insgesamt eine positive Preis-Leistungsrelation vorliegt. Eine Fotodokumentation des Therapieverlaufes (ein zweites Bild wird dem Arzt für seine Krankenakten übergeben) gibt messbare und nachvollziehbare Behandlungsergebnisse für Ärzte und Pflegepersonal. Die Fotos wurden anfangs mit einer Sofortbildkamera gemacht, deren Bildqualität uns jedoch nicht zufrieden stellte. Aus diesem Grunde wurde die Investition einer Digitalkamera mit Makrotechnik und eines fotorealistischen Druckers von der Geschäftsleitung genehmigt. Mit den damit gefertigten Bildern wurde wiederum unsere professionelle Vorgehensweise hervorgehoben. PFLEGEPERSONAL Nach Festlegung des Therapieplanes wird das behandelnde Pflegepersonal einbezogen. Zu Beginn der Wundversorgung haben sich das persönliche Gespräch mit dem Pflegepersonal und die gemeinsame schriftliche Beurteilung über den körperlichen und geistigen Zustand des Patienten (nach Nortonskala) sehr bewährt. Zusätzlich ist eine Absprache über den Ernährungsplan, die Lagerungsmöglichkeiten und die Bewertung des gesamten Umfeldes bedeutsam. Durch die Einbeziehung der Mitarbeiter, aber auch der Angehörigen, wird eine Art persönliche Verantwortung für den Erfolg geschaffen. Im weiteren Verlauf ist die Wunddokumentation sehr hilfreich und von gro- ßer Bedeutung. Es können die genaue Durchführung des Verbandes, der Ort und die Beschreibung der Wunde nachgelesen werden. Besonderheiten sind klar zu erkennen. Zudem ist jederzeit die Rücksprache mit dem Wundteam möglich. Verbandvisiten des Wundteams werden je nach Art und Behandlung der Wunde mehrmals wöchentlich bis zu einmal monatlich durchgeführt. So können Abweichungen der Behandlungsformen minimiert werden. Durch regelmäßige Fortbildungen wird das Pflegepersonal in Methoden der modernen Wundversorgung geschult. Der sichere Umgang mit Verbandtechniken wird dadurch gestärkt. Das Pflegepersonal ist von der neuen Form der Zusammenarbeit sehr beeindruckt. Der Erfolg der professionellen Arbeit ließ nicht lange auf sich warten. Die Wunden heilen schneller, die Patienten sind zufriedener. Dies erzeugt ein Erfolgsgefühl, das wiederum den Zusammenhalt in der Station fördert und die Akzeptanz des Wundteams steigert. ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Nach dem erfolgreichen Start des Projektes kam die Phase der Bestandssicherung. Hierbei ist eine Kombination von mindestens gleichbleibender Qualität und eine starke Öffentlichkeitsarbeit bedeutsam. So wurde durch Zeitungsartikel in der örtlichen Presse von unserem Wundteam und deren Aufgaben berichtet, Anzeigen wurden geschaltet. Hinzu kam der Lokalrundfunksender, der in seiner Gesundheitssendung zweimal ausführlich über unser Projekt berichtete, und ein Beitrag im Lokalfernsehen ist geplant. In Arbeit befindet sich ein Faltblatt, das unser Prospektmaterial abrundet. KOOPERATION Die Wirkung auf die örtlichen Pflegedienste ist erstaunlich. Zu der bereits bestehenden Kooperation mit dem Malteser Hilfsdienst kamen zwei Anfragen von Arbeiterwohlfahrt-Seniorenzentren mit insgesamt 290 Patienten, ob eine Zusammenarbeit im Fachgebiet Wundversorgung möglich sei. Inzwischen sind diese Einrichtungen feste Bestandteile unserer allgemeinen Kooperation. Die Aufgaben wurden geteilt, jeder Kooperationspartner verstärkt die Bereiche, welche er mit bes- 6 HARTMANN WundForum 4/ 2000

AKTUELLES ter Qualität anbieten kann, andere Bereiche übernehmen die Partner. So ist es inzwischen selbstverständlich, dass unser Wundteam Patienten von Malteser und Arbeiterwohlfahrt betreut. Ab September kommt ein neu errichtetes Seniorenzentrum mit privater Trägerschaft hinzu. Ausschlaggebend für die Zusammenarbeit war unter anderem unser Wundteam, welches somit auch diesem Haus mit 200 Betten zur Verfügung steht. So konnte verhindert werden, dass ein eigener Hauspflegedienst gestartet wird und ein weiterer Konkurrent in der ohnehin schon sehr angespannten Marktsituation zu verkraften ist. GRENZÜBERSCHREITEND Sehr freute uns eine Anfrage vom Salzburger Hilfswerk. Diese Einrichtung mit 700 Mitarbeitern und über 50 Prozent Marktanteil in der ambulanten Pflege in Salzburg wurde ebenfalls über die Öffentlichkeitsarbeit auf uns aufmerksam. Da der Landkreis Berchtesgadener Land direkt an Österreich grenzt und unsere Fahrstrecke in die Stadt Salzburg 9 km beträgt, kann der Bereich grenzüberschreitend mitbetreut werden. Gemeinsame Fortbildungen und Mitarbeiteraustausch fanden bereits statt. Erstaunlich ist die unterschiedliche Vorgehensweise in vielen Bereichen. Von der Zusammenarbeit mit Ärzten bis zu Verbandtechniken und -material gibt es große Unterschiede. So sind mehrere Projektgruppen geplant, die die Erfahrungen beider Länder bearbeiten und die Vorteile vereinen. Zudem ist die Einführung eines Wundteams für die Region Salzburg und in enger Zusammenarbeit mit unserem Wundteam geplant. Eine Aufnahme in unsere Kooperation ist zum Jahreswechsel beschlossen. Dies scheint uns ein sehr wichtiger Schritt in der weiteren Verbesserung unserer Qualität und zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Bereich der Europäischen Union. BEWERTUNG Optimale Planung und Professionalität in der Einführung des Wundteams sind Voraussetzungen für die erfolgreiche Behandlung von Patienten mit Problemwunden. Nach diesem Pilotprojekt konnten weitere Bereiche der speziellen Behandlungspflege nach gleichem Muster eingeführt werden. Die Personalstruktur änderte sich zu motivierteren, fachlich besser qualifizierten und eigenverantwortlich handelnden Mitarbeitern. Für unsere Diakonie-Sozialstation Bad Reichenhall war die Einführung des Wundteams eine erfolgreiche Geschäftsstrategie im immer härter werdenden Markt der häuslichen Pflege. Es kam zur lang geforderten verbandsübergreifenden Zusammenarbeit bis zu verbindlichen Kooperationsverträgen. So haben sich innerhalb von eineinhalb Jahren sechs große Partner in unserem Netzwerk zusammengeschlossen. Mit dem Salzburger Hilfswerk werden über 1200 Klienten von unserer Organisation betreut. Zu dieser Marktführung war die Einführung und Vermarktung des Wundteams mit ausschlaggebend. Sehr bezeichnend ist die große Einsatzbereitschaft unseres Wundteams. Der Bereich wird inzwischen eigenverantwortlich geleitet. Es wurde beschlossen, ein Preisgeld in die Anschaffung eines Wundfahrzeuges zu investieren. Wir finden es sehr wichtig, dass die Einführung professioneller Wundteams flächendeckend stattfinden sollte. Für das Gelingen ist eine enge und fachübergreifende Zusammenarbeit zwingende Voraussetzung. Die Initiative kann unserer Erfahrung nach von Pflegefachkräften und Sozialstationen ausgehen. Um unsere Erfahrungen interessierten Personen und Einrichtungen weitergeben zu können, wird zur Zeit ein Einführungskonzept für Wundteams in ambulanten Einrichtungen erarbeitet. Termine Seminarkongress Intensiv-Krankenpflege im Juni 2001 Vom 17. bis 22. Juni 2001 wird auf der Insel Norderney ein Kongress zur Intensiv-Krankenpflege stattfinden. Die wissenschaftliche Leitung haben Prof. Dr. H. Lippert, Magdeburg, und Prof. Dr. H. Huchzermeyer, Minden. Die Seminarthemen sind breit gefächert und befassen sich mit den für die Intensivmedizin wesentlichen Gebieten wie z. B. Kardiologie, Pulmologie, Neurologie, Nephrologie, Gastroenterologie und Anästhesiologie. Eine Einladung mit detailliertem Programm, Anmeldung und Unterkunftsreservierung liegt dieser WundForum-Ausgabe bei. Produktinformation Hydrofilm jetzt auch mit Wundkissen Hydrofilm, der bewährte Transparentverband aus Polyurethanfolie, wurde jetzt mit einem gut saugenden Wundkissen ausgestattet. Als Hydrofilm Plus steht damit ein perfekter Wundverband zur Verfügung ideal zur Versorgung leicht sezernierender Wunden und Hautläsionen. Hydrofilm Plus ist einfach zu applizieren und schützt dank der keimund wasserdichten Folie zuverlässig vor Sekundärinfektionen. Durch die Verwendung eines hypoallergenen Polyacrylatklebers wird der Wundverband dabei auch von Patienten mit empfindlicher Haut gut vertragen. Hydrofilm Plus von HARTMANN ist in den Größen 5x7 cm, 8x12 cm und 12x25 cm, einzeln eingesiegelt und steril, erhältlich. HARTMANN WundForum 4/ 2000 7

AKTUELLES Bücher im Gespräch Aktuelle Chirurgie der Infektionen Herr Prof. Dr. med. Georg-Michael Fleischer ist Facharzt für Chirurgie, Viszeral- und Gefäßchirurgie und Chefarzt der Chirurgischen Klinik für Viszeral-, Gefäß- und Thoraxchirurgie am Vogtland-Klinikum Plauen GmbH, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Leipzig. Er ist Herausgeber des neuen Buches Aktuelle Chirurgie der Infektionen, das im Johann Ambrosius Barth Verlag in Heidelberg erschienen ist. Das WundForum befragte Herrn Prof. Fleischer zu diesem Buch. WundForum: Sie sind Herausgeber des Buches Aktuelle Chirurgie der Infektionen, welches im Johann Ambrosius Barth Verlag, Heidelberg Leipzig 1999 erschienen ist. Was war Ihre Intention, ein separates Buch über die Infektionen im chirurgischen Alltag zu schreiben? Prof. Fleischer: Grundsätzlich ist jeder Chirurg mit chirurgischen Infektionen befasst. Nicht selten sind diese Reklamationen der chirurgischen Tätigkeit. Daher ist es auch zwingend notwendig, dass alle Chirurgen, aber auch andere operative Fächer sich mit chirurgischen Infektionen befassen und den neuesten Stand der Behandlungen kennen. Bei mir ist das Interesse für chirurgische Infektionen schon seit Jahren vorhanden. In zweiter Linie resultiert aus diesem Interesse die Gestaltung eines Symposiums mit dem Thema Aktuelle Chirurgie der Infektion. Da das Interesse daran sehr groß war und sich hervorragende Referenten zur Mitgestaltung bereitgefunden hatten, lag es nahe, die hier gewonnenen Erkenntnisse in Buchform zu publizieren. Die große Nachfrage zeigt das große Interesse an dieser Thematik. WundForum: Haben chirurgische Infektionen durch moderne und operative Therapiekonzepte nichts von ihrem Schrecken verloren? Prof. Fleischer: Bereits im Vorwort des Buches habe ich vermerkt, dass trotz aller Fortschritte der Antibiotikatherapie und aggressiver chirurgischer Therapiekonzepte die chirurgischen Infektionen nichts von ihrer Bedeutung und Schwere verloren haben. So ist bei der diffusen eitrigen Peritonitis noch immer mit einer Letalität von 30 bis 40%, bei der postoperativen Peritonitis sogar bis zu 80% zu rechnen. Damit bleibt die Chirurgie der Infektionen ein aktuelles Thema, zumal der Wettlauf zwischen der Resistenzentwicklung der Erreger und der Entwicklung neuer hochpotenter Antibiotika noch nicht entschieden ist. WundForum: Welche Themenbereiche werden in Ihrem Buch angesprochen? Prof. Fleischer: In dem Buch wird ein weiter Rahmen von historischen Aspekten über Rechtsgrundsätze, Wunde und Wundbehandlung bis zur Sepsis und Antibiotikatherapie gespannt. Da- neben werden hygienische Aspekte, insbesondere auch die nosokomialen Infektionen, aber auch spezielle chirurgische Infektionen abgehandelt. Einen besonderen Stellenwert nehmen die intraabdominalen Infektionen ein, da Appendicitis, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, septische Komplikationen nach akuter Pankreatitis und Peritonitis zum Alltagsgeschäft der Chirurgen gehören und nach wie vor bedrohlich für den Kranken sein können. Ein solches Buch kann natürlich die chirurgischen Infektionen nicht vollständig abhandeln. Dieses muss einem Lehrbuch vorbehalten sein. Aktuelle Entwicklungen, wie sie sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt darstellen, sind jedoch teilweise umfassend dargestellt, und der Themenkreis spricht eine breite Schicht von Chirurgen an. WundForum: An welche Berufsgruppen widmet sich primär Ihr Buch? Prof. Fleischer: In erster Linie wendet sich das Buch an Chirurgen in der Ambulanz und in der Klinik. So ist beispielsweise das Syndrom des diabetischen Fußes ein hochaktuelles und brisantes Thema, das fachübergreifend viele Ärzte beschäftigt. Daneben werden mit der Intensivmedizin befasste Kollegen ebenfalls angesprochen. Sicherlich werden einige Kapitel auch für Personen, die mit der Pflege beschäftigt sind, interessant sein, da gerade das Kapitel der Sepsis, Mykosen, nosokomiale Infektionen aber auch Rechtsgrundsätze zur Sterilisation und postoperativen Infektionen für diese Berufsgruppen relevant sind. BUCHTIPP Georg-Michael Fleischer (Hrsg.) Aktuelle Chirurgie der Infektionen Mit einem Geleitwort von D. Rühland; J. A. Barth, Hüthig Fachverlage, Heidelberg / Leipzig, 1999, 194 Seiten, mit 36 Abbildungen und 81 Tabellen, gebunden, DM 99,, ISBN 3-335- 00614-3 Der Herausgeber: Prof. Dr. med. Georg-Michael Fleischer ist Facharzt für Chirurgie, Viszeral- und Gefäßchirurgie und Chefarzt der Chirurgischen Klinik des Vogtland-Klinikums Plauen GmbH. 8 HARTMANN WundForum 4/ 2000

AKTUELLES WundForum: Was muss Ihrer Meinung nach unternommen werden, um die Lehre der chirurgischen Infektionen in Zukunft zu optimieren? Prof. Fleischer: Die chirurgischen Infektionen beherrschen sowohl in der Ambulanz als auch in der Klinik, wenn auch in weit geringerem Maße, als das noch vor einigen Jahren der Fall war, Patienten und Ärzte gleichermaßen. Die Kenntnisse der auftretenden Krankheitsbilder, die vorkommenden Erreger, die Antibiotikatherapie, aber auch die chirurgische Primär- und Sekundärbehandlung sollten daher allen mit diesen Patienten befassten Ärzten und Schwestern gut bekannt sein. Die Ergebnisse der Wundforschung, aber auch der Sepsisforschung müssen einem weiten Interessentenkreis bekannt gemacht werden, um die neuesten Ergebnisse auch rasch in die Praxis zu überführen. Krankenhaushygiene ist nach wie vor eine wichtige Säule bei der Bekämpfung der Infektionen. Auch hier muss ein entsprechendes Hygienebewusstsein, gepaart mit den entsprechenden Kenntnissen, vorhanden sein. Daher ist diesem Buch die wichtige Aufgabe zugedacht, diese neuen Entwicklungen in der Behandlung der chi-rurgischen Infektionen einem breiten Leserkreis zugänglich zu machen. WundForum: Herr Prof. Dr. Fleischer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Hardy-Torsten Panknin Rechtsprechung Jetzt in Kraft: das Infektionsschutzgesetz (IfSG) Es ist soweit wenn auch noch nicht ganz, was ebenfalls Anlass dieser Betrachtung ist: Mit Verabschiedung des Seuchenrechtsneuregelungsgesetzes vom 20. Juli 2000 hat das in Artikel 1 mit weiteren Einzelvorschriften in 77 Paragraphen ausgestaltete Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz IfSG) verpflichtende Vorgaben zur Hygienesicherheit in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens gesetzt. Im Wesentlichen sind die in der vorletzten Ausgabe des WundForum vorgestellten Regelungen normativ verabschiedet worden. Neben weiteren, ebenfalls nicht unbedeutenden Regelungsbereichen, die schon wegen der Komplexität nicht alle in diesem Rahmen aufgezeigt werden können, hat das Gesetz noch wichtige Einzelregelungen erfahren. PER HYGIENEPLAN STRUKTURIERTE INFEKTIONSHYGIENISCHE ÜBERWACHUNG Die in 36 IfSG normierte infektionshygienische Überwachung ist in Veränderung des in der Vorausgabe zitierten Textes mit Aufnahme weiterer Pflichten verändert worden. So heißt es nunmehr in 36 Einhaltung der Infektionshygiene 1) Die in 33 genannten Gemeinschaftseinrichtungen sowie Krankenhäuser, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken, Entbindungseinrichtungen, Einrichtungen nach 1 Abs. 1, 1 a des Heimgesetzes, vergleichbare Behandlungs-, Betreuungsoder Versorgungseinrichtungen sowie... legen in Hygieneplänen innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene fest. Die genannten Einrichtungen unterliegen der infektionshygienischen Überwachung durch das Gesundheitsamt. 2) Zahnarztpraxen sowie Arztpraxen und Praxen sonstiger Heilberufe, in denen invasive Eingriffe vorgenommen werden, sowie Einrichtungen und Gewerbe, bei denen durch Tätigkeit am Menschen durch Blut Krankheitserreger übertragen werden können, können durch das Gesundheitsamt infektionshygienisch überwacht werden. 3)... Für die versierten Fachkräfte ist es sicher nicht neu, dass Infektionshygiene Bestandteil eines in der Beachtung kontrollierten Hygieneplans ist. So weit dies in einzelnen Einrichtungen noch nicht umgesetzt ist, gilt es nunmehr, einer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen. Die Nichtbeachtung dieser Vorgabe hätte nicht unerhebliche rechtliche Konsequenzen. In zivilrechtlicher Hinsicht obliegt es nach der gesetzlichen Regelung des 36 IfSG der Darlegungs- und Beweislast einer Gesundheitseinrichtung, im Infektionsfall einem geschädigten Patienten nachzuweisen, dass der Infektionsschaden nicht auf organisatorische Mängel der Infektionsprophylaxe zurückzuführen ist. Ein Träger ohne per Hygieneplan angemessen strukturierte und in der Durchführung dokumentierte Infektionsprophylaxe muss zumindest zivilrechtlich Beweisnachteile bei Schadenersatzprozessen fürchten. Die innerbetriebliche Umsetzung der gesetzlichen Vorgabe ist wenn noch nicht geschehen dringend angesagt. INKRAFTTRETEN DES IFSG - UMSETZUNGS- FRIST & ÜBERGANGSZEITRAUM Die Spannbreite und das Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes ergeben sich aus : Artikel 5 Inkrafttreten, Außerkrafttreten 1) Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich des Absatzes 2 am ersten Tag des sechsten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft. Gleichzeitig treten 1) das Bundes-Seuchengesetz... 2) das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten... 3) die Laborberichtsverordnung... 4) die Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht auf die humanen spongiformen Enzephalopathien... 5) die Erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten... 6) die Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten... 7) die Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht nach 3 des Bundes-Seuchengesetzes auf das enteropathische hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) und die Infektion durch enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC)... außer Kraft. Bei Verkündung des Gesetzes am 20. Juli 2000 sind damit die neuen gesetzlichen Vorgaben mit Ausnahme der schon aktuell geltenden wasserrechtlichen Vorschriften, auf die gesondert einzugehen ist, spätestens ab dem 1. Januar 2001 verpflichtend. Bis dahin sind die normativ gesetzten Vorgaben einschließlich der entsprechenden Dokumentation einer transparent nachvollziehbaren Infektionsschutzprophylaxe in den Gesundheitseinrichtungen umzusetzen. HARTMANN WundForum 4/ 2000 9

AKTUELLES Dabei zeigt sich die Spannbreite des Gesetzes auf die hier nicht in allen Einzelheiten eingegangen werden kann aus dem Umfang der Gesetze und Verordnungen, die mit Inkrafttreten des IfSG in das Seuchenrechtsneuordnungsgesetz mit einfließen und mit Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung außer Kraft treten. SOFORTIGE NORMATIVE REGELUNG DES WASSERRECHTLICHEN HYGIENESCHUTZES Für den Hygienebereich Wasser ist ein Übergangszeitraum nicht gegeben. Zum Inkrafttreten der weiter auszugsweise zitierten Vorschriften heißt es in Artikel 5 1)... 2) Artikel 1 37, 38 und... treten am Tag nach der Verkündung in Kraft. Unter Verweis auf bestehende Verordnungen und Richtlinien sowie auf zu erwartende ergänzende Rechtsverordnungen des Bundesministeriums für Gesundheit ( 38 IfSG) ist die zum Infektionsschutz erforderliche Wasserqualität normativ definiert: 37 Beschaffenheit von Wasser für den menschlichen Gebrauch sowie von Schwimm- und Badebeckenwasser, Überwachung 1) Wasser für den menschlichen Gebrauch muss so beschaffen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit, insbesondere durch Krankheitserreger, nicht zu besorgen ist. 2) Schwimm- oder Badebeckenwasser... muss so beschaffen sein, dass durch seinen Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit, insbesondere durch Krankheitserreger, nicht zu besorgen ist. 3) Wassergewinnungs- und Wasserversorgungsanlagen und Schwimmoder Badebecken einschließlich ihrer Wasseraufbereitungsanlagen unterliegen hinsichtlich der in den Absätzen 1 und 2 genannten Anforderungen der Überwachung durch das Gesundheitsamt.... Es würde im Rahmen dieser Darstellung zu weit führen, die den Experten für Wasserhygiene im Übrigen bekannten Parameter einer dokumentarisch abzusichernden Wasserhygiene im Einzelnen aufzuführen. An dieser Stelle soll nur auf besonders kritische Bereiche des notwendig einzuhaltenden Infektionsschutzes wie z. B. auf die im Vordringen befindlichen Unterwassergeburten und die allgemein bekannte besondere Legionellengefährdung insbesondere durch nicht dem Stand der Technik entsprechende Leitungssysteme in Krankenhäusern, Heimen, etc. hingewiesen werden. WEITERE MASSNAHMEN ZUR BEKÄMPFUNG ÜBERTRAGBARER KRANKHEITEN Besonderes Augenmerk verdient die Regelung zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. Schon bei Verdachtsfällen meldepflichtiger Infektionen im Einzelnen wird hier auf die Aufzählung in 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 34 Abs. 1 verwiesen stellt das Gesundheitsamt so 25 die erforderlichen Ermittlungen an, insbesondere über Art, Ursache, Ansteckungsquelle und Ausbreitung der Krankheit. Dabei ist der behandelnde Arzt nach 27 berechtigt, mit Zustimmung des Patienten an den Untersuchungen... teilzunehmen. Die gesetzlich vorgesehenen Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Infektionsgefahr sind in 28 31 geregelt, und zwar von einer Verweilanordnung über eine Beobachtung bis hin zu Quarantäne und beruflichen Tätigkeitsverboten. Es mag den Nichtjuristen verwundern, dass es in 28 u. a. heißt: Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden. Dies ist in Zusammenhang mit der grundrechtlich verbrieften Freiheit des Einzelnen zur Krankheit zu sehen. Ein in seiner Entscheidungsfähigkeit und -freiheit nicht beschränkter Bürger darf schließlich auch im Interesse der Gesundheit nicht gegen seinen Willen zu objektiv erfolgversprechenden und in seinem und anderer Wohl stehenden Behandlungsmaßnahmen gezwungen werden. Eine im Medizinbereich bekannte Begrifflichkeit in Form fürsorglichen Zwangs ist dem Deutschen Recht bei mündigen Bürgern und Patienten fremd. Die Freiheit zur Krankheit und damit zu selbstschädigendem Verhalten eines willensfähigen Patienten muss unberührt bleiben. Dennoch und gerade deshalb sind zum Schutze der Allgemeinheit weit reichende Sicherheitsmaßnahmen zur Vermeidung einer Ausbreitung gefährlicher Infektionskrankheiten gesetzlich normiert. Kommt ein Betroffener der im Ermessen des Gesundheitsamts stehenden Quarantäneanordnung nicht nach oder so 30 Abs. 2 ist nach seinem bisherigen Verhalten anzunehmen, dass er solchen Anordnungen nicht ausreichend Folge leisten wird, so ist er zwangsweise durch Unterbringung in einem abgeschlossenen Krankenhaus oder einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses abzusondern. Weiter heißt es dort: Ansteckungsverdächtige und Ausscheider können auch in einer anderen geeigneten abgeschlossenen Einrichtung abgesondert werden. Da es sich in diesen Fällen wie im Gesetz auch angesprochen um mit Einschränkungen der persönlichen Freiheit verbundene Maßnahmen handelt, wird die Rechtmäßigkeit derart einschneidender freiheitlicher Beschränkungen nach Vorgabe weiterer Vorschriften im Einzelfall in einem praktisch keinen Aufschub duldenden Verfahren unverzüglich richterlich geprüft. Die weiter angesprochene Schutzmaßnahme eines beruflichen Tätigkeitsverbots gilt allumfassend sowohl für Patienten wie auch für Angehörige der Heilberufe selbst. Zur Verdeutlichung dieser natürlich nur als ultima ratio heranzuziehenden Anordnung wird die Vorschrift nachfolgend zitiert: 31 Berufliches Tätigkeitsverbot Die zuständige Behörde kann Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise untersagen. Satz 1 gilt auch für sonstige Personen, die Krankheitserreger so in oder an sich tragen, dass im Einzelfall die Gefahr einer Weiterverbreitung besteht. UMFASSENDES SPEKTRUM DER INFEKTIONSHYGIENE Insgesamt hat der Gesetzgeber die Infektionshygiene auf ein solides Fundament gesetzlicher Grundlagen gestellt. Es ist jetzt Sache aller Gesundheitseinrichtungen einschließlich der Ämter und Träger im stationären und ambulanten Bereich, die normativen Vorgaben zum Schutz des gesamten Klientels von Patienten und Anwendern in die Praxis umzusetzen. Hans-Werner Röhlig, Oberhausen 10 HARTMANN WundForum 4/ 2000

TITELTHEMA Diabetisches Fußsyndrom: Wieviel Fuß ist besser als gar keiner? U. Brunner, H. Zollinger Departement Chirurgie, Universitätsspital Zürich, Schweiz Das Anliegen dieses Beitrages liegt darin, die heutige Differenziertheit chirurgischer Maßnahmen zugunsten des Diabetischen Fußes mit Schwergewicht septischer Notfallsituationen aufzuzeigen. Die Bewältigung pedaler Infekte, denen ischämische und/ oder neuropathische Ursachen zugrunde liegen, ist das Hauptziel der Chirurgie. Im zeitlichen Ablauf dieser chirurgischen Einsätze bewährte sich über die letzten 25 Jahre das von Vollmar entworfene IRAS-Prinzip: I nfektbekämpfung, R evaskularisation ab Aorta bis Fuß, A mputation mit dem Ziel, möglichst viel tragfähigen Fuß zu erhalten, und optimale S chuhtechnische Versorgung. INFEKTIÖSER TEUFELSKREIS Die Füße des Diabetikers sind besonders anfällig für lokale Hautnekrosen und bakterielle/mykologische Superinfektionen derselben. Die Ursache dafür liegt in der Interaktion der diabetischen Stoffwechsellage mit Arteriopathie, Neuropathie und Osteoarthropathie mit Zehendeformation. Die chirurgisch relevanten Infekt-Komponenten, die zum Diabetischen Fuß führen können, sind in Abbildung 1 in ihrer Vernetzung dargestellt. Dieses Denkmodell will einerseits zeigen, dass sich gangränöse Strahlen, Gelenkvereiterungen, Phlegmonen, selten Ulzera, Lymphangitiden und Erysipele bis zur Sepsis potenzieren können; andererseits will es verdeutlichen, dass dieser infektiöse Teufelskreis den vier typischen Kausalkomponenten mit ihrer von Fall zu Fall verschiedenen Intensität unterliegt. Auf der linken Seite von Abbildung 1 rangieren die ischämisch bedingten und vorwiegend akral lokalisierten Nekrosen, auf der rechten Seite die vorwiegend plantar angesiedelten Drucknek- rosen auf der Basis diabetischer Neuropathien sowie die sekundär damit verknüpften Osteoarthropathien und Zehendeformationen. Ischämie- und druckbedingte Nekrosen sind in ihrer stabilen Ausbildung trocken, neigen aber zu bakterieller oder mykologischer Infektion, entgleisen also gangränös. MUMIFIKATION GANGRÄN Die Unterschiede zwischen trockener und feuchter Nekrose sind gerade für den diabetischen Fuß mit seiner eingeschränkten lokalen Abwehrkraft für das chirurgische Vorgehen und für die Prognose von ausschlaggebender Bedeutung. Um dies zu unterscheiden, hat Stephanos Geroulanos aus Athen, früher Zürich, die Begriffe sprachlich aktualisiert und folgende Ableitungen übersetzt: Nekrose: von Nekrose = Absterben und von Nekrose = der Tote Mumifikation: von Mumie (arabisch) und ficatio (lateinisch) = Absterben, oder anders definiert: Nekrose, die durch Wasserverlust eintrocknet Gangrän: von gangraena (lateinisch) = Wundbrand, vor allem der feuchte, jauchig zerfallende Die im Alltag immer wieder gehörte Bezeichnung feuchte Gangrän ist demzufolge ein verwaschener Pleonasmus. Deshalb sei die klinische Gliederung der nekrotischen Symptome in diabetologisch-chirurgischer Sicht geradezu doppelt unterstrichen und in Erinnerung gerufen. INFEKTIÖSER, NEKROTISCHER TEUFELSKREIS (ABB. 1) MIKROARTERIOPATHIE Ischämie (akral) Nekrose Nekrotischer Teufelskreis 6 Nekrose NEUROPATHIE Druck (plantar) Im infektiösen, nekrotischen Teufelskreis des Diabetischen Fußes unterliegen die entzündlichen Krankheitsbilder in je verschiedener Intensität den bekannten kausalpathologischen Einflüssen der diabetischen Stoffwechsellage mit Arteriopathie, Neuropathie und Osteoarthropathie. MAKROARTERIOPATHIE 1 3 4 2 Diabetes 5 OSTEOARTHROPATHIE Legende: 1. Gangrän 2. Pyarthros 3. Phlegmone 4. Lymphangitis 5. Erysipel 6. Sepsis HARTMANN WundForum 4/ 2000 11

TITELTHEMA MUMIFIKATION UND GANGRÄN (ABB. 2) Mumifikation (trocken, kein Übelgeruch, sauber, Demarkation) lokales Problem INFEKTE FÜHREN ZUR LYMPHOSTASE Bakterien aus einer peripheren Gangrän fließen kontinuierlich oder schubweise in die abführenden Lymphgefäße. Klinische Symptome sind Lymphangitiden und Erysipele. Postlymphangitisch segmentäre Verschlüsse führen zu pedaler Lymphostase. Im chronischen Stadium schlummern Infekterreger in gestauten Lymphangiolen, in Lymphthromben, in Lymphknoten und in erweiterten Gewebsspalten. In der Folge chronisch rezidivierender Entzündungen der Zehen kommt es zur lymphostatischen Fibrosklerose. Dies führt zu chronischer Induration mit wurstförmiger Auftreibung. Diese Lymphostase lässt sich mit dem Patentblau-Intrakutant- Test visualisieren. Die Diabetische Zehe ist demzufolge in lymphologischer Sicht ein echtes sekundäres Lymphödem und unterliegt dem gleichen Circulus vitiosus wie das Nekrose Gangrän (eitrig feucht, Übelgeruch, Demarkation im Fluss, Lymphangitis, Sepsis) allgemeines Problem lymphostatische Ödem im Allgemeinen: Lymphostase, Infektanfälligkeit und Verschärfung der Lymphostase nach jedem infektiösen Schub. PHLEGMONEN Dorsal- und Plantarphlegmonen sind die folgenreichsten Infektsituationen beim Diabetischen Fuß. Die Ausbreitung erfolgt über Sehnenscheiden / peritendinöse Hüllgewebe. Eine Analyse von 37 Patienten des eigenen Krankengutes ergab folgende Eintrittspforten: 39% Zehennekrosen, 28% Malum perforans, 12% Zustand nach Grenzzonen-Amputationen oder an operierten Zehen, 10% Mykosen, 5% Hautverletzungen (Badezimmer-Chirurgie), 2% Unguis incarnatus, 2% Verbrennungen. Aufgrund der Neuropathie spürt der Patient die Infektausbreitung meist nicht. Die Diagnose wird objektiv meistens erst im Stadium der phlegmonösen Explosion gestellt. Indirekte Hinweise sind Fieber und Pulsanstieg scheinbar ungeklärter Genese. Dies kann nach kaum bedrohlichen Vorzeichen im Verlaufe weniger Stunden geschehen. Das Vorliegen einer potenziellen Eintrittspforte muss deshalb zu täglichen Kontrollen der Füße veranlassen. SONSTIGE DIABETSBEDINGTE BEGLEITUMSTÄNDE Soll ein Diabetischer Fuß chirurgisch behandelt werden, so müssen folgende Punkte insbesondere auch in Notfallsituationen bedacht werden: Pedale Nekrosen können sowohl nur einen Fuß betreffen (monotop) oder aber beide (polytop). Sie können gleichzeitig oder nacheinander auftreten. Das Auftreten nekrosebedingter Infektschübe ist im Verlauf des Diabetes nicht voraussehbar. Durch Ausschalten erkannter Risiken und dementsprechende Selbstkontrolle des Patienten kann man sie aber oft vermeiden (siehe Prophylaktische Chirurgie ). Der Diabetiker ist durch Folgekrankheiten des Diabetes (kardiale Ischämie, cerebrale Ischämie, Retinopathie) oft in der Selbstkontrolle seiner Füße eingeschränkt. Die diabetische Retinopathie potenziert nicht nur die Behinderung des Diabetikers bei der Selbstkontrolle der Füße, sondern auch den Amputierten in seiner Unselbstständigkeit. Im Rahmen schwerer Infekte (Phlegmonen, Sepsis) kann eine diabetische Nephropathie akut dekompensieren. OPERATIVE SKIZZEN ALS BEISPIEL FÜR DIE ERHALTUNG UND SPÄTERE VERWENDUNG GESTIELTER VOLLHAUT-LAPPEN (ABB. 3) A Weitgehend infektradikale offene transmetatarsale Amputation als notfallmäßiger Eingriff bei Plantarphlegmonen. Die Großzehe bleibt bestehen. B Mehrfache Débridements und interoperative Wundkonditionierung bringen den Restinfekt zum Stillstand. Die Großzehe imponiert als Überständer und bekommt die Funktion eines Vollhautexpanders. C Die Skelettanteile der Großzehe werden ausgeschält; der Vollhautmantel wird zu einem gestielten Lappen präpariert. D Stumpfverschluss mit gestieltem Vollhautlappen. A B C D 12 HARTMANN WundForum 4/ 2000

TITELTHEMA Soziale Faktoren wie Familie, Wohnbereich und Umfeld sowie Beruf bestimmen die Möglichkeiten der häuslichen Nachbehandlung offener Wundfelder. INFEKTBEKÄMPFUNG UND AMPUTATION Die obigen Überlegungen führen zu folgendem chirurgischen Verhalten: Sogenannte saubere Bereinigungen durch typische Amputationen mit primärer Lappendeckung auf Stufe Fuß oder gar Unterschenkel und Oberschenkel sind kontraindiziert, weil grundsätzlich Beidseitigkeit droht (eventuell Ausnahme bei einwandfreien arteriellen Durchblutungsverhältnissen). Das Mittel der Wahl sind Grenzzonen-Amputationen (Minor-Amputation, amputation limitée), das heißt grundsätzlich offene Amputationsverfahren: Infekt und Nekrobiose sollen radikal entfernt werden, vitale Nachbargewebe bleiben erhalten. Dies bedeutet Absetzen der nekrotischen Anteile weit in der Peripherie. Diese Technik steht zunächst im Gegensatz zur späteren orthopädischen Amputation an typischer Stelle mit gestielter Lappenbildung und aufgeschobenem Wundverschluss. Die Grenzzonen-Amputation ist durch ein permanentes Misstrauen gegenüber der grenzgängigen Durchblutung, der zunächst nicht vorauszusehenden Aggressivität der Infekterreger und nicht zuletzt gegenüber dem Allgemeinzustand des Patienten mit oft ausgeprägtem Katabolismus geprägt. Die Philosophie der Notfallchirurgie für den diabetischen Infekt liegt also darin, durch behutsam konservierende, aber dennoch infektradikale Technik möglichst wenig Präjudize für eine spätere definitive Stumpfversorgung zu schaffen. Diese Notfallversorgung gehört in die Hände eines erfahrenen Chirurgen, der Zweit- und Folge-Operationen bereits vor Augen hat. Bei Phlegmonen muss immer aggressiv vorgegangen werden. REVASKULARISATION Gleichzeitig oder gestaffelt mehrzeitig folgt auf die infektbekämpfenden Sofortmaßnahmen die Beseitigung arterieller Verschlüsse durch chirurgische Rekonstruktionen oder Kathetertechnik. Spezielle Therapiekonzepte für Diabetiker sind notwendig. Die Prognose bezüglich kruraler Bypässe LOKALE MASSNAHMEN IM NOTFALL (TAB. 1) Nekrosektomie Offene transphalangeale Amputation mit Hautschlauch Offene Exartikulation im Grundgelenk mit Bohrlöchern und späterer Spalthautplastik Offene Blockresektion Grundgelenk Offene Resektion eines Metatarsale Offene transmetatarsale Amputation Offene metatarsale Keilexzision Geschlossene transmetatarsale Amputation mit plantar gestieltem Lappen (nur bei gesicherter arterieller Durchblutung) ist bei Diabetikern gleich gut wie bei Nicht-Diabetikern. Frühzeitige Mobilisierung nach chirurgischen Behandlungen fördert die Wundheilung durch Stimulierung des Flusses in Arterien, Venen und Lymphgefäßen. Unmittelbar postoperativ kommen Abrollhilfen zum Einsatz, später orthopädietechnische Schuhversorgungen. TECHNISCHES SPEKTRUM Die technischen Möglichkeiten werden hier nur aufgelistet. Sie richten sich nach den hauptsächlichen Manifestationen diabetischer Infekte und deren Schweregrad. Notfalloperationen Für umschriebene Nekrosen/Infekte, schwer infizierte Plantargeschwüre und Phlegmonen kommen die Eingriffe, die in Tabelle 1 zusammengefasst sind, zum Einsatz. Phlegmonen erfordern taktische Weitsicht: Ihre Chirurgie ist gekennzeichnet durch die breite Eröffnung von Abszessen und phlegmonösen Infiltrationen, radikale Nekrosektomien, gegebenenfalls Keilresektionen, die Erhaltung vitaler Hautlappen, insbesondere plantar und unversehrter Strahlen als Vollhautreserven für die Spätversorgung der Stümpfe (Abb. 3). Interoperative Wundkonditionierung Hierbei kommt heute die gewebeschonende feuchte Wundbehandlung, z. B. mit Hydrokolloiden, zur Anwendung. Auch das Verfahren der Wundkonditionierung per Vakuumversiegelung kann in Erwägung gezogen werden. Folgeoperationen Ziel ist es, aus den nach Notfallmaßnahmen verbliebenen Teilen tragfähige Teilflüsse zu schaffen. Die Grundpfeiler dieser Behandlungsphase erstrecken sich nach bewältigtem Infekt unter anderem auf sekundäres ossäres Alignement, meistens auf Stufe Mittelfuß, und sekundärem Stumpfverschluss durch Schwenkung in Reserve gehaltener Vollhautlappen. Klaffende Mittelfüße nach Keilresektionen schrumpfen im Verlaufe von etwa 3 Monaten zu einem tragfähigen Fuß. UNERWÜNSCHTE OPERATIONSFOLGEN In der weiteren Behandlung grenzzonig amputierter Mittelfüße sind folgende Probleme zu beachten: Hebelwirkung der Antagonisten Einseitige Zügelwirkung der großen Fußantagonisten führt zu Fehlstellungen. Am häufigsten ist die Spitzfüßigkeit infolge Überwiegen der Plantarkräfte. Da die Abrollscherung durch die Stumpfkuppe abgefangen werden muss, entstehen lokale Drucksituationen. Erwünscht wäre eine möglichst ausgeglichene Dynamik des Stumpfes, was aber im Rahmen von Grenzzonen- Amputationen oft nicht erfüllt werden kann. Plantare Spalthaut ist nicht belastbar Diese ist an sich nicht elastisch und auf der Unterlage voll adhärent: Periostaler Belastungsschmerz und rezidivierende Ulzera sind die Folge: je distaler der Stumpf, desto größer die Anforderungen an die Nachgiebigkeit des plantaren Integumentes. Diese Anforderungen werden nur durch Vollhaut erfüllt, sodass dies schon in der akuten Phase nach queren transmetatarsalen Amputationen solange wie möglich erhalten werden soll. Weitere Verfahren zur Schonung der Vollhaut sind tangentiale Abtragungen der Strahlen I und V sowie Keilresektionen der Strahlen II, III und IV. Traktion in den Grenzbereichen des Integumentes Infolge unterschiedlicher Qualität und Verschiebbarkeit von plantarer HARTMANN WundForum 4/ 2000 13

TITELTHEMA und dorsaler Haut entstehen in den Grenzzonen Traktionsprobleme. Diese sind wegen der Scherwirkung über den Stümpfen am größten. Dasselbe gilt für Grenzbereiche von Vollhaut zur Spalthaut. Rezidivierende Schrunden, Ulzera, Hyperkeratose und anderes sind die Folge. Osteoarthropathie und reaktionslose Osteolyse Diese typischen Veränderungen im Diabetischen Fuß fallen als Folgeerscheinungen von Neubelastungen nach Grenzzonen-Amputationen besonders ins Gewicht. In der orthopädischen Chirurgie vermögen von plantar her geführte Resektionen der Zehengrundgelenke ein belastungsfähiges Alignement zu schaffen (Operationen nach Lelièvre oder Clayton). Zur Prophylaxe stehen aber gerade in diesem Problemkreis früh einzusetzende orthopädietechnische Maßnahmen zur Verfügung. Reossifikation, ossäre Prominenzen Amputationsbedingte Prominenzen oder Stachelbildungen im Rahmen postamputativer Ossifizierung ab Periost führen zu lokalen Druckbelastungen, selbst im Bereich von Vollhautbedeckung. Gute Operationstechnik (harmonische ossäre Begradigung, primäre Führung der Schnittfläche durch die spongiöse Basis der Metatarsalia, Resektion von Periostlefzen) kann dies verhindern: Damit vermeiden wir die leidigen Stümpfe, die später durch sekundäre Resorption spitz zulaufen und sich schon ohne Belastung in die Weichteile hineinbohren, Schmerzen verursachen oder zu einem plantaren Ulkus führen. (R. Baumgartner) Subjektive Bedürfnisse Nach Überwindung von Infekt und Nekrose sind vor allem die persönlichen Anforderungen des Patienten an den Rest seines Fußes für die Gebrauchsfähigkeit mittelfüßiger Grenzzonenstümpfe maßgebend. Darin eingeschlossen sind Allgemeinzustand, Lebensalter und wünschbare Selbstständigkeit. PROPHYLAKTISCHE CHIRURGIE Lokale Veränderungen mit erhöhter Infektgefahr auf diabetischem Terrain mit ischämischer und neuropathischer INDIKATIONEN FÜR PROPHY- LAKTISCHE CHIRURGIE (TAB. 2) Akrale und interdigitale Mykose Klavus, insbesondere interdigital und über Hammerzehen Chronisch rezidivierende Kuppengangrän einzelner Zehen Unguis incarnatus Sekundäre lymphostatische Elephantiasis einzelner Zehen Bursa über Hallux valgus oder Digitus quintus superductus Plantare Schwielen mit oder ohne Malum perforans Bereits einmal grenzzonig amputierter Zehen- oder Mittelfuß-Stumpf Ursache (Tab. 2) rufen nach besonderer Umsicht und gegebenenfalls prophylaktischen Eingriffen. Nach Möglichkeit sind solche Zonen für potenzielle tiefere Infekte bereits à froid auszuschalten, zum Beispiel durch Resektion des Metatarsale-Köpfchens bei drohendem oder etabliertem Malum perforans. Solche Eingriffe sind die Domäne der orthopädisch orientierten Chirurgie. Da es sich beim Diabetischen Fuß nicht um ein stationäres Problem handelt, sondern um eine fortschreitende Erkrankung, muss bei weiteren Infekten der adäquate chirurgische Angriffspunkt immer wieder neu erarbeitet werden. Dabei ist auf folgende Veränderungen zu achten: Bei Skelett und Weichteilen können Veränderungen in Druckbelastung und sekundäre Zehendeformitäten neue Ursachen plantarer oder digitaler Hyperkeratosen, Nekrosen und Geschwüre sein; Sequestrierung und Fistelung können durch aseptische Osteolyse bedingt sein. Des Weiteren ist auf integumentäre Rhagaden, Falxinfekte, Fußmykosen aller typischen Siedlungsbereiche (10% der Bevölkerung), Ausbildung von Bezirken lokaler Lymphostase sowie Veränderungen der arteriellen Durchblutung zu achten. Zur Kontrolle der arteriellen Durchblutung sind regelmäßige Vergleiche der Knöchelarteriendrucke oder anderer Parameter mit der primären Ausgangslage angezeigt. FAZIT Die Schwergewichte der chirurgischen Aspekte des Diabetischen Fußes liegen in prophylaktischen Operationen, in notfallmäßiger Infektbekämpfung, in arterieller Revaskularisation, in orthopädischer Stumpfbildung mit Zweit- und Folge-Operationen, in orthopädietechnischer Entlastung und in interdisziplinärer Nachsorge. Der letzte Punkt ist besonders wichtig, weil sich der Diabetiker infolge seines gestörten Lagesinnes neue Druckstellen und damit möglicherweise neue Osteolysen und Druckulzera erläuft. (D. Gruss, Kassel) Wenn innerhalb des dargestellten Therapieplanes die Frage hätte laut werden können, wieviel Fuß denn noch besser sei als gar keiner ( How much foot is better than none?, I. Ochsner), dürfte die Antwort lauten: Jeder indolente und integumentär tragfähige Teilfuß ist, bei zusätzlich möglicher Erblindung, besser als gar keiner. Schließlich bietet auch der diabetische Klumpfuß (in Analogie zum Charcot-Fuß) manchmal über Jahre volle Belastbarkeit. Prof. Dr. med. Urs Brunner Dr. med. Hans Zollinger Departement Chirurgie Universitätsspital Zürich E Hoer 20 8091 Zürich Schweiz Reprint aus Der informierte Arzt 1998 Literatur bei der Redaktion 14 HARTMANN WundForum 4/ 2000

FORSCHUNG Problemerreger auf Intensivpflegestationen unter Berücksichtigung von MRSA H.-T. Panknin 1, G. Geldner 2 1 Medizinjournalist, Berlin 2 Universitätsklinik für Anästhesiologie, Universität Ulm EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG Todesfälle durch Infektionen haben im letzten Jahrzehnt weltweit um 58% zugenommen. Dies ist vor allem durch die starke Zunahme lebensbedrohlicher respiratorischer und septikämischer Infektionen im Bereich moderner intensivmedizinischer Versorgungsbereiche bedingt. In diesen Bereichen nahm auch die Antibiotikaresistenz im letzten Jahrzehnt erheblich zu. Das Erregerspektrum schwerer nosokomialer Infektionen hat sich in den letzten Jahren geändert. Während Anfang der 80er-Jahre gramnegative Bakterien die häufigsten Erreger nosokomialer Infektionen waren, so werden heute annähernd 60% nosokomialer Infektionen durch grampositive Bakterien hervorgerufen (meist Staphylokokken und Enterokokken). Zunehmend problematisch ist die Ausbreitung multiresistenter Mikroorganismen, die in Abhängigkeit vom Patientenklientel, aber auch abhängig vom jeweiligen Hygienestandard der einzelnen Klinik, unterschiedlich ausgeprägt ist. Der enorme Verbrauch von Drittgenerationscephalosporinen in manchen amerikanischen Kliniken korrelierte signifikant mit der Zunahme von resistenten Enterobakterien, insbesondere Keimen der Enterobacter-Gruppe. Als Ersatz für die Cephalosporine, die einen starken Resistenzdruck ausüben, wurden in publizierten Studien verschiedentlich moderne Breitspektrumpenicilline mit Inhibitorschutz wie z. B. das Piperacillin/ Tazobactam eingesetzt. Nach einjähriger Anwendung der letztgenannten Kombination für die Initialtherapie ließen sich z. B. die Resistenzraten für Cephalosporine um über 50% senken. In ähnlicher Weise korrelierte das Auftreten Vancomycinresistenter Enterokokken an der USamerikanischen Ostküste mit dem vermehrten Gebrauch von insbesondere oralem Vancomycin. Nach Einführung einer strikten Verschreibungspolitik für Vancomycin gingen hier die Resistenzraten drastisch zurück. In gleicher Weise sollte auch der Einsatz von Carbapenemen kontrolliert und eingeschränkt werden. Als Problemerreger gelten im intensivmedizinischen Bereich Staphylokokken mit Resistenz gegenüber Methicillin, Enterokokken mit Mehrfachresistenzen gegen Aminopenicilline, Aminoglykoside und Vancomycin sowie Stämme von Pseudomonas aeruginosa mit Resistenz gegen Acylaminopenicilline, Cephalosporine, Chinolone und Aminoglykoside (Gentamicin, Tobramycin). Zunehmende Resistenzen findet man mittlerweile auch bei Pilzen, z. B. bei Fluconazol-resistenten Candida-Spezies. In einer Resistenzstudie der Paul- Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie beobachtete man bereits 1995 bei Pseudomonas aeruginosa nicht nur eine Zunahme der Resistenz gegenüber dem potenten Breitspektrumantibiotika Imipenem, sondern auch gegenüber Fluorchinolonen. In Westösterreich waren 1997 bereits 28,7% der Pseudomonas-aeruginosa-Isolate von Intensivpflegestationen einer Universitätsklinik gegenüber Imipenem resistent. Auch weitere gramnegative Bakterien, wie z. B. Escherichia coli, zeigen eine auffällige Zunahme der Resistenz gegenüber älteren Antibiotika (Ampicillin und Gentamicin), aber auch gegenüber den neueren Substanzen, wie z. B. Fluorchinolonen. Vereinzelt sind auch in deutschen Kliniken Ausbrüche von Vancomycinresistenten Enterokokken aufgetreten. Nach dem Verbot von Avoparcin (Glykopeptid-Antibiotikum) als Leistungsförderer in der Tiermast ist die Häufigkeit Vancomycin-resistenter Enterokokken bei gesunden, nicht hospitalisierten Trägern rückläufig (Ende 1997: 3,3% gegenüber 1994/95: 10%). Im deutschen Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS) werden seit Januar 1997 multiresistente Erreger im Zusammenhang mit nosokomialen Infektionen auf inzwischen 122 Intensivstationen im gesamten Bundesgebiet erfasst. Der Anteil der multiresistenten Erreger an allen gemeldeten Erregern der jeweiligen Erregerart ist in Tabelle 1 dargestellt. Nach Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie ist für die gegenwärtige Zunahme und Ausbreitung hochresistenter Erreger auch der massive und unzureichend gesteuerte Einsatz von Antibiotika verantwortlich. ANTEIL MULTIRESISTENTER ERREGER (MRE) BEI NOSOKOMIALEN INFEKTIONEN AUF INTENSIVSTATIONEN (KISS 1997-1999 / TAB. 1) Anteil der MRE an allen gemeldeten Erregern der jeweiligen Erregerart Methicillin-resistente Staphylococcus aureus 13,1% Vancomycin-resistente Enterokokken 0,7% Multiresistente Pseudomonas aeruginosa* 6,5% * Resistenz gegen 3 der folgenden Antibiotika: Piperacillin, Ceftazidim, Chinolone, Aminoglycoside, Imipenem HARTMANN WundForum 4/ 2000 15

FORSCHUNG EINFLUSSFAKTOREN AUF EINE RESISTENZENTWICKLUNG (TAB. 2) generelle epidemiologische Situation Herkunft der Erreger vorausgegangene Hospitalisierung oder aus einem Pflegeheim Patienten-Charakteristik vorangegangene antimikrobielle Therapie oder Prophylaxe Richtlinien für kalkulierte Therapie Als Ursachen für die Zunahme grampositiver Erreger werden nach Halle folgende Faktoren diskutiert: Zunahme von Risikopatienten (Alter, geschwächte Immunabwehr, häufigere Anwendung von Implantaten, Drogen- und Alkoholabusus etc.), effektivere Antibiotika gegen gramnegative Erreger mit geringerer Wirkung auf grampositive Bakterien, Auftreten von mehrfachresistenten grampositiven Erregern (Selektionsdruck, klonale Ausbreitung Methicillin-resistenter Staphylokokken), unterschätzte Virulenz, z. B. von Enterokokken und Koagulase-negativen Staphylokokken, insbesondere Staphylococcus epidermis. KLINISCHE BEDEUTUNG MULTIRESISTENTER ERREGER Für den Patienten bedeutet eine primäre und/oder sekundäre (nosokomiale) Infektion mit multiresistenten Erregern bei Unkenntnis der Erregersituation eine unter Umständen inadäquate initiale Antibiotikabehandlung, die faktisch einer Nichtbehandlung gegebenenfalls über mehrere Tage bis zur Erregeridentifikation/ Resistenzbestimmung gleichkommt. Mit der Anwendung inadäquater antimikrobieller Medikamente sind zusätzliche Risiken (Allergie, gegebenenfalls Oto-, Nephro- und Hepatotoxizität, Selektionsdruck) und unnötige Kosten (Medikamentenkosten, Spiegeluntersuchungen) verbunden. die Resistenzsituation kann von Land zu Land unterschiedlich sein endogen oder exogen (z. B. Umweltkeime) Patient häufig mit multiresistenten Keimen besiedelt, z. B. MRSA oder Pseudomonas aeruginosa z. B. immunsupprimiert, chronische Erkrankung Art des Chemotherapeutikums, Anzahl der Substanzen, Dauer der Therapie, Pharmakokinetik, Art der Verabreichung, Dosierung vorhanden oder fehlend Als Folge einer inadäquaten Antibiotikatherapie kann es des Weiteren zu einer unkontrollierten Ausbreitung der Infektion mit Sepsis und Funktionsstörungen weiterer Organsysteme im Sinne des prognostisch und therapeutisch ungünstigen Multiorganversagens (MOV) kommen. Im Zusammenhang damit notwendig werdende invasive Maßnahmen wie ZVK, Beatmung, parenterale Ernährung oder Nierenersatzverfahren beinhalten zusätzliche Risiken und erhöhen beträchtlich das Risiko für weitere nosokomiale Infektionen. Kollef et al. untersuchten 1999 in einer Studie, inwieweit sich eine nicht adäquate Antibiotikatherapie auf die DEFINITION METHICILLIN- RESISTENZ (MCR) Resistenz von natürlich vorkommenden Staphylokokkenstämmen gegenüber ß-Laktamase, auch ß-Ls-stabilen wie z. B. Methicillin, Oxacillin, Cloxacillin, Flucloxacillin, Cephalosporine, Cephemantibiotika und andere. MHK (Minimale- Hemm-Konzentration) > 12,5 mg/l Methicillin > 4mg/l Oxacillin; 1959 wird Methicillin in England eingeführt, 1961 erscheint ein erster Bericht über den neuen Resistenzmechanismus (Jevons, 1961) der Methicillinresistenz. Letalität von infizierten Patienten auf Intensivstationen auswirkt. Die Letalität von Patienten, die aufgrund einer Infektion eine Antibiotikatherapie erhielten, stieg auf ca. 52% bei inadäquater antimikrobieller Therapie. Im Vergleich hierzu lag die Letalität bei adäquater Therapie bei ca. 23%. Aus krankenhausökonomischer Sicht ist von großer Bedeutung, dass aus der initialen Nichtbehandlung/Nichtbeherrschung der Infektion ein konsekutives MOV mit ggf. notwendiger Langzeitintensivtherapie resultieren kann. Werden notwendige Hygienemaßnahmen (z. B. Isolierung) aus Unkenntnis der Multiresistenz zu spät initiiert, ist eine klonale Ausbreitung (Übertragung) der Krankenhauserreger auf der Intensivstation vorprogrammiert. Erfolgt eine Isolierung, kommt es als Folge des erhöhten Personalaufwandes zu einer weiteren Reduktion bereits begrenzter Intensivbehandlungskapazitäten. Zusätzlich entstehen durch ggf. horizontalen Transfer der genetischen Informationen durch Plasmide in bisher noch empfindliche Bakterienstämme kurzbzw. mittelfristig große Probleme bei der Antibiotikatherapie. STAPHYLOKOKKEN In Kliniken können Staphylokokken schwere nosokomiale Infektionen verursachen (Abszesse, Wundinfekte, Pneumonien, Sepsis etc.), die bei einem Teil der Patienten tödlich verlaufen können. Die Mortalität bei Staphylokokken-Sepsis beträgt für Koagulasenegative Staphylokokken 30-40% und für mehrfachresistente S. aureus 44%. Ein besonderes klinisches Problem stellen dabei mehrfachresistente Staphylococcus aureus-stämme dar. Sie sind bekannt geworden unter der Abkürzung MRSA, was vom Ursprung her Methicillin-resistente S. aureus (angloamerikanischer Sprachraum) bezeichnet, heute aber allgemein für mehrfach- (oder multi-)resistente S. aureus mit Oxacillinresistenz (deutschsprachiger Bereich) verwendet wird. Das Methicillin war das erste Penicillinase-feste Staphylokokken-Penicillin, das später durch das weiterentwickelte Oxacillin abgelöst wurde. Manche Kliniken sprechen daher auch von ORSA. Sie bilden aber eine eigene Verwandtschaftsgruppe von Stämmen in der Spezies S. aureus, die stets gegen- 16 HARTMANN WundForum 4/ 2000

FORSCHUNG über allen ß-Laktammantibiotika parallell-resistent sind und darüber hinaus eine deutliche Neigung zur Entwicklung einer Mehrfachresistenz gegenüber fast allen Antibiotikaklassen haben. Staphylococcus aureus ist ein grampositives, kugelförmiges Bakterium, welches zur Familie der Micrococcaceae gehört. Staphylokokken sind ubiquitär in der Natur verbreitet. S. aureus ist relativ lange in der unbelebten Umgebung seiner Wirtsorganismen lebensfähig (Luft, Haut, Schuppen, Kittel etc.). Gegen Trockenheit und Wärme sind sie sehr widerstandsfähig (bis 15 Minuten bei 80 Grad Celsius) und überleben eingetrocknet in Blut und Eiter bis zu 15 Minuten bei 100 Grad Celsius. Auf einer Fachtagung in Großbritannien wurde über einen Staphylococcus aureus-stamm berichtet, der offenbar in der Lage ist, auch gegen Glykopeptide wirksame Schutzmechanismen zu entwickeln. Der Stamm, der aus einem Abszess isoliert wurde, war nicht mehr erfolgreich mit dem Glykopeptid Vancomycin zu bekämpfen. Aus Japan wurde vor kurzem ebenfalls das Auftreten von Vancomycinintermediär-empfindlichen Staphylococcus aureus (ViSA)-Stämmen und Vancomycin-resistenten Enterokokken- Stämmen berichtet. In den USA wurde im August 1997 erstmals über die ersten Stämme von MRSA mit vorübergehender Resistenz gegenüber Vancomycin berichtet eine klinisch infektiologische Katastrophe! Das Center for Disease Control (CDC) in Atlanta (USA) vermutet, dass diese Stämme eine Denovo-Mutation im Verlauf von längerfristigen Vancomycin-Behandlungen darstellen. Seit 1961 wird das Auftreten von MRSA in den USA und Europa kritisch beobachtet. Ein signifikanter Anstieg von vermehrten Infektionen mit MRSA wird seit den 70er-Jahren beobachtet, vor allem in Kliniken. Die Häufigkeit der MRSA-Vorkommen nimmt mit der Größe und Art des Krankenhauses zu, d. h. Groß- und Universitätskliniken sind besonders betroffen; dies erklärt sich aus den vorgenannten disponierenden Faktoren. Eine gemeinsame Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin, der Rockefeller-Universität New York und des Erasmus-Krankenhauses Brüssel PRÄVALENZ VON MRSA IN EUROPA <5 5-9 10-29 30 Portugal 10% Spanien 30% Frankreich 30% zeigte, dass sich mehrfachresistente Staphylococcus aureus-stämme weltweit ausbreiten. Inzwischen wird auch schon von der Pest der modernen Spitzenmedizin gesprochen. Mittlerweile liegen zahlreiche Daten über das Vorkommen von MRSA aus einzelnen Ländern und klinischen Bereichen vor. Eine Analyse im Rahmen der europäischen Prävalenzstudie nosokomialer Infektionen auf Intensivstationen (EPIC-Studie), an der 17 europäische Länder teilnahmen, zeigte, dass Staphylococcus aureus-isolate (30,1%) die am häufigsten isolierten Mikroorganismen waren. Die Oxacillinresistenz betrug 60%! Studien haben gezeigt, dass bei Patienten, bei denen MRSA nachgewiesen werden konnten, nicht nur eine längere Verweildauer gegeben war, sondern auch die Letalität höher war. ÜBERTRAGUNGSWEGE VON STAPHYLOCOCCUS AUREUS UND MRSA Keimträger können als ständiges Reservoir ein wichtiger Ausgangspunkt nosokomialer Staphylokokken-Infektionen sein. Symptomlose, kolonisierte Personen wie Patienten, Ärzte oder das Pflegepersonal stellen für ihre Umgebung eine Infektionsquelle dar, da z. B. von der Nase ausgehend eine Streuung der Staphylokokken auf andere Niederlande <1% Belgien Deutschland 5% 1,6-8,4% Tschechische Republik <4% Italien 30% Dänemark <1% Schweden <1% Österreich 10-16% Ungarn 4-18% Slowenien 13-15% Finnland 0,1% Griechenland 40% Türkei 27% Hautareale (z. B. Hände) und in die Umgebung stattfinden kann. Bei Krankenhauspersonal ist der Staphylokokken-Trägeranteil höher als bei der Normalbevölkerung. In bestimmten Fällen aber können solche Träger die Verbreitung multiresistenter S. aureus aufrechterhalten. Bei diesen Keimträgern unterscheidet man je nach Ausfall der Untersuchungsergebnisse von 6 Nasenabstrichen im Abstand von einer Woche zwischen persistierenden bei 5 bis 6 positiven S. aureus-nasenabstrichen und transienten oder intermittierenden Keimträgern bei 2 bis 4 positiven S.-aureus-Nasenabstrichen. Als Nichtkeimträger gelten Personen, die keinen oder nur einen positiven Nasenabstrich in diesem Zeitraum aufweisen. Die Übertragung erfolgt vor allem durch Schmierinfektionen von Wunden, auch aerogen über Staub und über Tröpfcheninfektionen. Die 10 wichtigsten Risikofaktoren bei der Übertragung sind die 10 Finger des Personals. Als weitere Vehikel der Staphylokokken dienen vor allem Taschentücher, Handtücher, Kleidung, Wolldecken etc. sowie patientennahe Arbeitsmaterialien (Stethoskope, Blutdruckmanschetten etc.) und Verbandmaterial. In der Umgebung von Patienten mit besonders hoher Trägerquote (dermatologische HARTMANN WundForum 4/ 2000 17

FORSCHUNG Patienten, Patienten mit Tracheotomie oder großflächigen Wunden) spielt auch die Übertragung von MRSA über die Luft eine Rolle. Eine erhöhte Disposition für S. aureus-infektionen besteht bei Patienten, die einer chirurgischen oder intensivmedizinischen Behandlung ausgesetzt sind, bei Verbrennungspatienten, granulozytopenischen Kranken sowie HIVpositiven und AIDS-Patienten. MASSNAHMEN ZUR INFEKTIONSVERHÜTUNG MIT MRSA Vorbedingungen zur erfolgreichen Prophylaxe von MRSA-Infektionen bzw. zur Eindämmung epidemischer Verläufe sind grundsätzlich die Aufklärung und Motivation von Personal und Patienten. Es ist zu klären, dass das Personal selbst beim pflegerischen Umgang mit MRSA-besiedelten Patienten nicht infektionsgefährdet ist! Es kann lediglich zur Kolonisierung der Nasenschleimhäute bei der Pflege von Patienten kommen, die einen mit MRSA besiedelte Trachealtubus oder großflächige Wunden haben, oder bei unsachgemäßem Verbandswechsel können die Hände kontaminiert werden. Bei intakter, gesunder Haut besteht jedoch keine Gefahr einer Infektion. Das Problem ist vielmehr, dass im Fall einer ungenügenden Händedesinfektion nach Kontakt mit einem MRSA- Patienten bzw. seiner meist besiedelten Umgebung die MRSA an den Händen des Personals verbleiben und nun auf andere Patienten übertragen werden (Kreuzinfektionen). Patienten sind stets als gefährdet zu betrachten. Für Intensivpflegepatienten besteht Lebensgefahr! Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass die häufig geübte Praxis, dass Pflegepersonen sich zum Selbstschutz Handschuhe anziehen und damit von Patient zu Patient gehen, mit der Verhütung Die roten Punkte markieren die typischen Lokalisationen von MRSA-Kolonien. von bakterieller Keimübertragung nichts zu tun hat! Auch die Patienten und Angehörigen müssen sachlich über die MRSA- Problematik mittels eines Merkblattes aufgeklärt werden. Die Klärung ihrer Rolle, mit hygienischen Verhaltensweisen zur Verhütung von eigenen Infektionen sowie der ihrer Mitpatienten beizutragen, sollte sie zu bewusster Kooperation motivieren. Bei Besuchern ist auf die Durchführung der hygienischen Händedesinfektion vor Verlassen des Patientenzimmers zu achten! Erfolgte bereits eine Infektion mit MRSA, so ist die sofortige Isolierung des betroffenen Patienten und der anderen Patienten im Krankenzimmer bzw. auf Intensivpflegestationen in einer Einzelbox bzw. Zimmer zu veranlassen. Durch die schnelle Verbreitung der Erreger aufgrund ihrer ausgeprägten Fähigkeit, an Haut und Flächen zu haften und wochenlang zu überleben, wird eine MRSA-Epidemie begünstigt. Das Krankenzimmer muss sichtbar gekennzeichnet werden. Es empfiehlt sich, die Tür des Zimmers mit einem ÜBERTRAGUNSGWEGE VON MRSA Patient MRSA-Träger Chronisch (vorübergehend) Medizinalpersonal Transiente Kolonisation (chronisch) Umgebung Naher Kontakt (aerogen?) roten Punkt zu versehen, der alle Mitarbeiter dazu anhält, das Zimmer nur mit Schutzkleidung zu betreten. MASSNAHMENKATALOG Der hygienischen Hände- und Hautdesinfektion muss bei der Prophylaxe von Staphylokokken-Infektionen große Aufmerksamkeit gewidmet werden, denn 90% aller nosokomialen Staphylokokken-Infektionen werden über die Hände kolonisierter Personen übertragen. Vor und nach jedem Kontakt mit Patienten sind die Hände einer hygienischen Händedesinfektion zu unterziehen. Bei Injektionen und Punktionen ist eine ausreichende Hautdesinfektion unter Beachtung der Einwirkzeit des Präparats einzusetzen. In großen Kliniken mit hoher MRSA- Inzidenz empfiehlt es sich, bei jedem Neuzugang einen Abstrich aus dem Vestibulum nasi (vordere Nasenhöhle) beider Nasenlöcher durchzuführen. Dieser Abstrich ist nach 4 bis 7 Tagen oder schon früher, z. B. bei durchgeführten operativen Eingriffen, zu wiederholen. Dadurch werden MRSAinfizierte bzw. -kolonisierte Patienten frühzeitig erkannt. Vom Personal in Risikobereichen, z. B. Intensivpflegestationen, oder von Abteilungen, wo MRSA endemisch sind, sollten ebenfalls Nasenabstriche auf MRSA untersucht werden. Bei Häufung von MRSA-Nachweisen sind die Infektionsquellen durch das Hygienefachpersonal zu eruieren. Regelmäßige mikrobiologische Screeninguntersuchungen der Umgebung von Pflegestationen, insbesondere der Patient ohne MRSA Mit Risikofaktoren 18 HARTMANN WundForum 4/ 2000

FORSCHUNG Intensivpflegeabteilungen, Operationssäle, Dialyseabteilungen sind notwendig, um gezielte Maßnahmen zur Infektionsprävention einleiten zu können. Zur Dekontamination von mit MRSA besiedeltem Pflegepersonal und Patienten ist die Gabe von Mupirocin- Nasensalbe 3x täglich über 5 Tag zur Keimträgersanierung indiziert. Der Wirkmechanismus von Mupirocin besteht in der Hemmung der IsoleucyltRNA-Synthese der Staphylokokken. Es wird aufgrund der zunehmenden Resistenzentwicklung von Mupirocin darauf hingewiesen, die Salbe erst nach einem gesicherten Nachweis (Sensibilität der Erreger!) zu verordnen. Nach Abschluss dieser fünftägigen Behandlung wird nach einer Wartezeit von 24 Stunden ein Kontrollabstrich abgenommen. Ist dieser positiv und besteht noch keine Resistenz gegen diese Substanz, kann die Behandlung um einen weiteren, dann jedoch letzten Zyklus von fünf Tagen erweitert werden. Das Pflegepersonal und die Ärzte sollten während der Trägerschaft auf Intensivpflegestationen und in OP- Abteilungen nicht direkt am Patienten arbeiten. Ein Tragen von Mund-Nasen- Schutz muss konsequent eingehalten werden. Es muss eine mikrobiologische Kontrolle des Sanierungseffektes erfolgen. Die Indikation zur Verwendung von intravasalen Kathetern sowie von sonstigem Fremdmaterial sollte auf das nötige Maß beschränkt werden. Täglich ist bei der Visite die Indikation neu zu überprüfen. Das Implantieren muss in speziell dafür ausgestatteten Räumen (OP) unter optimalen aseptischen Kautelen schnell und möglichst atraumatisch durchgeführt werden. Merke: Venenkatheterisierungen sind einem chirurgischen Eingriff hinsichtlich der Asepsis gleichzusetzen! Venenkatheter, die in Notfallsituationen (präklinisch) gelegt wurden, sind, falls sie überhaupt noch benötigt werden, spätestens nach 12 Stunden zu wechseln! Die meisten Infektionen bzw. Kontaminationen über einen Fremdkörper werden beim Legen eines Katheters oder während der Implantation gesetzt! SPEZIELLE MASSNAHMEN BEI AUSBRÜCHEN MIT MRSA Der mit MRSA besiedelte oder infizierte Patient muss isoliert werden (Standardisolierung, Einzelzimmer oder Isolierstation mit Schleuse, Kohorten). Die Erlaubnis zum Betreten des Isolationszimmers sollte nur auf einen möglichst kleinen, eingewiesenen Personenkreis beschränkt bleiben (Familienangehörige). Die Besucher müssen ausführlich, am besten durch ein erklärendes Merkblatt, über die genauen infektionsprophylaktischen Maßnahmen informiert werden. Eine Händedesinfektion ist konsequent vor Betreten und nach Verlassen des Patientenzimmers sowie nach jeder Manipulation am Patienten durchzuführen! Bei Betreten des Patientenzimmers ist ein Tragen von Schutzkleidung, bestehend aus Kopfhaube, Einmalhandschuhen, Schutzkittel und Mundschutz, zu empfehlen. Die Schutzkittel sollten möglichst 1x täglich gewechselt werden. Ist der Patient auf einer Normalstation in einem Einzelzimmer untergebracht, hängt der Schutzkittel im Zimmer und nicht auf dem Flur der Station. Ein Tragen von Mund-Nasen-Schutz ist bei MRSA-Trägern (ausgedehnte Wundinfektionen, Trachealkanülen, endotracheale Absaugungen) stets angezeigt. Anmerkung: Um die Gefahr einer MRSA-Tröpfcheninfektion so gering wie möglich zu halten, ist bei MRSA-Patienten, die einer Respiratortherapie bedürfen, ein geschlossenes Absaugsystem zu verwenden! Bei jeglichen Manipulationen am Patienten, Kontakt mit Ausscheidungen und Sekreten sowie der Grundpflege, z. B. Ganzkörperwaschung, sowie der speziellen Pflege von Kathetern und Verbänden gilt: Handschuhe tragen und Handschuhe nach Gebrauch am Patientenbett (Patientenbezogener Abwurfbehälter) belassen sowie sofort Hände desinfizieren! Zur Dekontamination der Hautkolonisation können Polyhexamethylen-Biguanid-Hydrochlorid PHMB, PVP-Jod- Seife oder auch Octenidin über einen Zeitraum von 5 Tagen Anwendung finden. Die Kopfhaare sind bei der Waschung mit einzubeziehen. Der Patient sollte an seinem Bett eine Flasche mit einem alkoholischen Hautdesinfektionsmittel haben und angehalten werden, mehrmals, besonders vor und nach der Toilette sowie nach Niesen und Naseputzen bei nasopharyngealer Besiedlung, seine Hände einer hygienischen Händedesinfektion zu unterziehen. Die Bettwäsche sowie Waschutensilien sollten täglich gewechselt werden. Anmerkung: Die in der Literatur diskutierte Resistenz von MRSA gegen alkoholische Händedesinfektionsmittel gibt es nicht. Eine reduzierte bakterizide Wirkung alkoholischer Händedesinfektionsmittel ist bedingt durch eine zu kurze Einwirkzeit und/ oder durch Verdünnung der Anwendungslösung. Benötigte Pflegeutensilien, z. B. Blutdruckmessgerät, Stethoskop, Fieberthermometer, Salben etc., verbleiben im Patientenzimmer bzw. am Bett. Salben sowie alle Gegenstände, die unmittelbar am Patienten angewendet wurden und nicht resterilisierbar sind, sind nach Verlegung oder Entlassung fachgerecht zu entsorgen. Beim Bettenmachen nur benötigte Bettwäsche mit ins Patientenzimmer nehmen. Wäsche, die nicht benutzt wurde, im Zimmer lassen. Bei Verbandvisiten nur das benötigte Material ins Zimmer nehmen. Die Entsorgung von Wäsche und Abfall muss gesondert behandelt werden; Wäsche- und Abfallsäcke im Zimmer aufbewahren. Die Wäschesäcke werden immer geschlossen aus dem Zimmer entsorgt. Abfall wird im Patientenzimmer gesammelt und als normaler B-Müll entsorgt. Anmerkung: Die Wäsche- und Geschirraufbereitung bedürfen keiner besonderen, über das Normalmaß hinausgehenden Maßnahmen. Bei unvermeidbaren Verlegungen oder bei Untersuchungen sollte der Patient einen Nasen-Mund-Schutz bei nasopharyngealer Besiedlung tragen. Wird der Patient mit einem Rollstuhl oder einer Trageliege transportiert, so werden diese nach dem Transport desinfiziert. Wenn der Patient mit seinem Bett transportiert werden muss, wird vor dem Transport empfohlen, das Bett frisch zu beziehen und desinfizierend abzuwischen. Die Kleidung des Patienten sollte frisch gewechselt sein, bei Wunden ist ein neuer Verband anzulegen. Beim Transport des Patienten sollten Einmalhandschuhe getragen werden. Kittel und evtl. Mund-Nasen- Schutz sind nur bei notwendiger Mithilfe beim Umlagern notwendig. Bei einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus muss unbedingt die MRSA- Infektion des Patienten mitgeteilt werden, damit das Krankenhaus sich speziell auf die Isolierungsmaßnahmen vorbereiten kann! HARTMANN WundForum 4/ 2000 19

FORSCHUNG WERT VON SCREENING-ABSTRICHEN ZUR ENTDECKUNG VON TRÄGERN VON MRSA (TAB. 3) Abstrich von Sensitivität Negativer prädiktiver Wert Nase allein 79% 95% Nase, Rachen 86% 97% Nase, Inguinalfalte 93% 98% Nase, Rachen, Inguinalfalte 98% 99% Anmerkung: MRSA-Patienten sollten immer als letztere eines Tages operiert und/oder untersucht werden! Bei der Reinigung des Zimmers sind die Raumpflegerinnen auszugrenzen oder nötigenfalls in die Schutzmaßnahmen dringend einzuweisen. Eine tägliche Wischdesinfektion von patientennahen Flächen sollte durchgeführt werden. Die Reinigungsutensilien werden nur in diesem Zimmer verwendet! Es sollten nur Desinfektionsmittel Anwendung finden, die laut DGHM (Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie) wirksam gegen MRSA sind! Bei Verlegung oder Entlassung ist das Zimmer einer gründlichen Scheuerwischdesinfektion, einschließlich des Mobiliars und sonstiger Gebrauchsgegenstände, zu unterziehen. Auf Intensivpflegestationen ist bei MRSA- Patienten zur Kreuzinfektionsprophylaxe nach Verlegung die gesamte Umgebung (Zimmer) einschließlich unbelebter Gegenstände (z. B. Beatmungsgerät etc.) zu desinfizieren bzw. sterilisieren! Bei Patienten mit MRSA-Infektionen wird empfohlen, wöchentliche Screeninguntersuchungen durchzuführen. Personal sollte nur dann einem Screening unterzogen werden, wenn ein unmittelbarer epidemiologischer Zusammenhang mit einem Ausbruch besteht. Wird dann MRSA festgestellt, sollte eine topische Behandlung begonnen werden. Das notwendige mikrobiologische Monitoring zur Diagnostik einer MRSA-Kolonisierung bei Patienten umfasst im Wesentlichen Abstriche von den Prädilektionsstellen Nase, Rachen, Achselhöhle, Nabel und Perineum, wenn möglich zusätzlich Wundabstriche, Abstriche aus Drainagen, Urinuntersuchungen und Katheterabstriche. Die hygienischen Maßnahmen können aufgehoben werden, wenn bei mindestens drei in zeitlichem Abstand aufeinander folgenden Untersuchungen keine MRSA mehr nachgewiesen wurden. ÜBERSICHT DER ZUSÄTZLICHEN KOSTEN BEI MRSA-PATIENTEN (TAB. 4) FINANZIELLE MEHRBELASTUNGEN BEI MRSA-INFEKTIONEN Die zunehmende Antibiotikaresistenz von Bakterien, insbesondere von Staphylokokken, hat bedeutende Auswirkungen auf die Kostenentwicklung von Intensivstationen. Dabei kann eine MRSA-Epidemie in Intensivpflegestationen finanziell schwerwiegend zu Buche schlagen. Die Gründe für die hohen Kosten sind die teuren Antibiotika (Glykopeptide) und die zeit- und personalaufwendigen Infektionsprophylaxen (Händedesinfektion, Isolierung, Kittelpflege, antiseptische Ganzkörperwaschungen). Linnemann et al. haben in den USA 1982 die Verluste auf einer 33 Betten führenden Intensivstation eines großen privaten Krankenhauses anhand der freibleibenden Betten auf etwa 1 Million Dollar im Jahr kalkuliert. Nach Erfassung aller MRSA-infizierten Patienten der anästhesiologischen Intensivstation der Universitätsklinik Ulm während eines Erfassungszeitraumes von 5/1996 bis 10/1998 wurden zum einen der Mehraufwand für Dekontaminationsmaßnahmen und MRSA-spezifische Bedarfsmedikation ermittelt wie auch Fixkosten der durch Isolationsmaßnahmen freibleibenden Intensivbetten durch MRSA-Patienten berechnet. Diese Kosten wurden dann in durchschnittliche Monatskosten und Kosten pro durchschnittlichem MRSA- Pflegetag geteilt. Die Studie zeigte, dass durch Isolationsmaßnahmen freibleibende Intensivbetten Fixkosten von 10.875 DM bei durchschnittlich 5,8 MRSA-Pflegetagen pro Monat verursachten. An Mehrkosten durch Hygienemaßnahmen und Dekontaminationsmaßnahmen wie auch durch MRSAspezifischen Patientenbedarf entstanden 3.173 DM pro MRSA-Pflegetag. Trotz dieser erschreckenden finanziellen Belastungen dürfen bei der Bekämpfung und Behandlung multiresistenter Keime auf Intensivstationen keine Kompromisse eingegangen werden. Wenn sich die Endemie nicht sanieren lässt, wird der Kostendruck noch größer werden! Bei epidemischer Häufung von MRSA-Fällen sollte die Einhaltung der einzelnen Maßnahmen erneut evaluiert werden. Es wird in solchen Fällen eine molekularbiologische Typisierung der Stämme empfohlen, um eine Epidemie von einer nur zufälligen Häufung zu klassifizieren. Ferner wird auch auf die Konsultation von Institutionen, die in der Untersuchung und Bekämpfung von Ausbrüchen über klinische Erfahrung verfügen, hingewiesen: z. B. das Nationale Referenzzentren (NRZ) oder das Robert-Koch-Institut (RKI). Kosten/MRSA- Pflegetag DM Kosten Monat DM Fixkostenanteil 1.875 10.875 Aufwendungen für Reinigung, Wiederaufbereitung etc. 509 2.954 Aufwendungen für mikrobiologische Untersuchungen 202 1.174 MRSA-spezifische Therapiekosten 586 3.399 Summe zusätzlicher Kosten pro Monat 3.172 18.402 20 HARTMANN WundForum 4/ 2000

KASUISTIK FAZIT Die zunehmende Resistenzsituation muss allen involvierten Berufsgruppen in der Intensivmedizin stets bewusst sein, da besonders Intensivpflegestationen durch Epidemien mit multiresistenten Erregern betroffen sein können. Eine Intensivierung der Ausbildung aller involvierten Berufsgruppen über die klinische Bedeutung und Prävention (restriktive/ differenzierte Antibiotikatherapie, Vermeidung der Übertragung durch hygienische Händedesinfektion, spezielle Isoliertechniken etc.) im Bereich der Intensivmedizin ist von großer Bedeutung, damit wir nicht in absehbarer Zeit vor Patienten stehen, deren Infektionen mit den dann zur Verfügung stehenden Antibiotika nicht mehr beherrscht werden können. Aufgrund des wachsenden Anteils von Risikopatienten wie älteren immungeschwächten Patienten oder Patienten mit z. B. aggressiver Chemotherapie wird für die Zukunft erwartet, dass die Zahl von Infektionen und damit auch der Verbrauch von Antibiotika weiter zunehmen wird. Das führt zwangsläufig zu einem erhöhten Selektionsdruck und damit zu einer Weiterentwicklung resistenter Erreger-Stämme, die sich zudem rascher verbreiten können. Es muss daher angenommen werden, dass in absehbarer Zeit zwangsläufig Erreger auftreten, die gegen alle auf dem Markt befindlichen Antibiotika unempfindlich sind. Die Autoren: Hardy-Thorsten Panknin Fechnerstraße 4 D-10717 Berlin E-Mail: PD Dr. med. Goetz Geldner Oberarzt Universitätsklinik für Anästhesiologie Universität Ulm Steinhövelstraße 9 D-89075 Ulm E-Mail: Literatur bei der Redaktion Prinzip der arterio-venösen Fistel in der Wiederherstellung komplizierter Unterschenkeldefekte B. Karle, S. Baumeister, A. Jester, G. Germann Klinik für Schwerbrandverletzte, Plastische, Rekonstruktive und Handchirurgie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen, Plastische und Handchirurgie der Universität Heidelberg, Chefarzt: Prof. Dr. med. G. Germann EINLEITUNG Chronische oder akute traumatische Wunden in kritisch perfundierten Extremitäten stellen eine große chirurgische Herausforderung für den Plastischen Chirurgen dar. Gerade bei sogenannten Ein-Gefäß-Beinen wird bei komplexen Wunden die Indikation zu extremitätenerhaltenden mikrochirurgischen Eingriffen eher zurückhaltend gestellt, um nicht die erhaltene Restperfusion des Beines über das verbliebene Gefäß zusätzlich zu gefährden. Das Konzept der arterio-venösen Fistel kann hier die therapeutischen Möglichkeiten signifikant erweitern. Das Prinzip beruht auf der End-zu-Seit- Anastomose einer abführenden Vene mit dem arteriellen Gefäß. OP-TECHNIK Idealerweise verwendet man hierzu die distal abgesetzte Vena saphena magna oder Vena saphena parva. Diese Anastomose kann großlumig geplant werden, um so das Risiko einer arteriellen Thrombose minimal zu halten. Nach Freigabe der Klemmen wird die Vene arteriell durchströmt und aufgedehnt. Diesem ersten Operationsschritt folgt als zweiter Schritt die Hebung des mikrovaskulären Lappentransplantates, das an seinem eigenen Gefäßstiel so lange belassen wird, bis nach komplettierter Hebung die AV- Fistel erneut inspiziert wurde. Bei Durchgängigkeit der AV-Fistel wird nun der Lappen abgesetzt und die Schenkel der AV-Fistel werden in benötigter Länge durchtrennt, um so einen arteriellen Zufluss und einen venösen Abfluss zu erhalten. So gelingt es, sowohl die arterielle wie die venöse Schenkellänge an die Länge des Lappenstiels anzupassen. Der Gefäßanschluss erfolgt dann mit zwei End-zu-End-Anastomosen an die jeweiligen Schenkel. An einem Fallbeispiel soll dieses Prinzip illustriert werden: Ein 63-jähriger Patient wurde mit einem persistierenden Weichteildefekt im Bereich der rechten Ferse bei ausgedehnter Osteomyelitis des Calcaneus überwiesen, nachdem es 6 Monate zuvor im Rahmen einer Varizensklerosierung vermutlich zu einer Sklerosierung der A. tibialis posterior gekommen war. Nachfolgend hatte sich eine Nekrose im Bereich der rechten Ferse entwickelt, und es waren bereits auswärtig mehrere Wunddébridements und Spalthauttransplantationen im Bereich des Weichteildefektes erfolgt. Bei Aufnahme zeigte sich ein ca. 2 x 2 cm großer Weichteildefekt im Bereich der rechten Ferse, allerdings mit ausgedehnter Destruktion des Calcaneus (Abb. 1). Dopplersonographisch war die A. tibialis posterior nur bis zur Unterschenkelmitte darstellbar. Die Digitale Subtraktionsangiographie des rechten Beines zeigte einen Verschluss der A. tibialis posterior ab der Unterschenkeltrifurkation. Zunächst erfolgte ein knöchernes Débridement und Defektdeckung mit einem gestielten fasciocutanen Suralislappen. Dieser Lappen ist an Perforansgefäßen der A. peronea gestielt und auch in Hochrisiko-Beinen häufig zuverlässig verfügbar. HARTMANN WundForum 4/ 2000 21