Das Wichtigste in Kürze... Show Nicht nur hochspezialisierte Tiere wie die Fledermäuse, sondern auch wir Menschen sind (begrenzt) in der Lage, uns anhand von Schallereignissen in Räumen zu orientieren Beim zweiohrigen (binauralen) Richtungshören, werden Schallquellen anhand der Intensitäts- und Laufzeitunterschiede der Schallwellen bei den Ohrmuscheln lokalisiert. Bei der Genauigkeit der Richtungsbestimmung leistet das Gehör Erstaunliches. Dank der Bauweise unserer Ohrmuscheln ist auch einohrig feststellbar, aus welcher Richtung ein Geräusch kommt, vorausgesetzt, das Geräusch enthält auch Frequenzen oberhalb von 1.5 kHz. Befindet man sich in einem halligen Raum, also einer Umgebung mit relativ lauten Reflexionen, so ist die Lokalisierung einer Schallquelle schwieriger. Das Originalgeräusch und die Reflexionen kommen aus verschiedenen Richtungen. Zum räumlichen Hören gehört neben der Richtungsbestimmung auch die Entfernungsabschätzung und das Erfassen des Raumvolumens. Je nach Distanz zur Schallquelle benutzt das Gehör dazu verschiedene Methoden. Nachhall, Schallabsorbtion, Schallschatten, Signallaufzeiten und die Richtungsempfindlichkeit des Aussenohrs erlauben uns räumliches Hören. Das beinhaltet nicht nur die Information, woher der Schall kommt, sondern auch, wie gross der umgebende Raum ist und ob ein Hindernis (etwa eine Wand) in der Nähe ist. Blinde sind in der Lage, Hindernissen auszuweichen, wenn sie reflektierte selbsterzeugte Laute hören. Diesen "Fledermaus-Effekt" kann man selbst ausprobieren: Man bewege sich mit geschlossenen Augen durch ein Zimmer und achte auf das Schnipsgeräusch, das man mit den Fingern erzeugt. Dies funktioniert jedoch nicht bei schallabsorbierenden Wänden, wie sie im Rundfunk verwendet werden. nach oben Zweiohriges RichtungshörenAm Kopf wird der Schall für das einer Schallquelle zugewandte Ohr gestaut, für das abgewandte Ohr hat der Kopf eine Abschirmwirkung. Diese ist umso grösser, je weiter die Schallquelle von der Symmetrieebene des Kopfes weggedreht ist.
Die Intensitätsunterschiede (Pegelunterschiede) des eintreffenden Schalls am Ort der beiden Ohren sind winkel- und frequenzabhängig:
KlangfarbenunterschiedeDa die Intensitätsunterschiede stark frequenzabhängig sind, ergeben sich bei komplexen Klängen Klangfarbenunterschiede am Ort der beiden Ohren. Bei einem bekannten Klang ist deshalb eine Ortung der Schallquelle aufgrund des Klangfarbenunterschiedes möglich. Allerdings handelt es sich dabei eigentlich nicht um eine Richtungsbestimmung durch den Gehörmechanismus, sondern um eine Richtungsinterpretation. Dieser Mechanismus spielt eine Rolle bei der vorn/hinten-Ortung. Eintreffzeit-UnterschiedeWenn die Abstände Schallquelle - linkes Ohr und Schallquelle - rechtes Ohr nicht gleich gross sind (und das ist immer der Fall, wenn sich die Schallquelle nicht in der Symmetrieebene des Kopfes befindet), trifft der Schall nicht gleichzeitig am Ort der beiden Ohren ein. Der winkelabhängige Zeitunterschied wird vom Gehör als Richtungsinformation interpretiert.
Durch Auswerten der Reizinformationen, die wir an beiden Ohren empfangen, können wir Schallquellen im Raum orten. Die Genauigkeit bei Klickgeräuschen liegt bei ca. 3°. Wir nutzen dabei den Laufzeitunterschied und die Lautstärke. Wegdifferenz und LaufzeitunterschiedUm den Laufzeitunterschied des Schallreizes zu ermitteln, müssen die Signale im Hirn miteinander verglichen werden. Berechnet man diese Zeitdifferenz, kommt man auf recht erstaunliche Ergebnisse. Der Schall breitet sich in der Luft mit 340 m/s aus, der Kopfdurchmesser betrage ca. 17 cm, die Richtungsgenauigkeit 3°. Wieviele Sekunden später erreicht der Schall einer Schallquelle, die 3° von der Symmetrieebene des Gesichtes nach rechts abweicht, das linke Ohr? Wir berechnen zunächst, um wieviel länger der Weg ist, den der Schall zum linken Ohr zurücklegt. Wir rechnen nun aus, wie lange der Schall für diesen Weg braucht: Die Laufzeitdifferenz beträgt also ca. 30 µs. Ein Nervenimpuls dauert etwa 100mal länger! Wichtig für diese Vergleiche ist der Phasenunterschied der Wellen. Bietet man einer Versuchsperson über Kopfhörer Töne mit leicht unterschiedlicher Frequenz dar, so hat sie das Gefühl, dass ein Ton um sie herum kreist. Die unterschiedlichen Töne verändern ihre Phase zueinander. Die Phasenunterschiede rechnet das Gehirn zurück auf die Richtung. Bei einem 1000 Hz-Ton entspricht der Laufzeitunterschied (bei obigem Versuch) von 30 µs einem Phasenunterschied von knapp 11°. Kombination von Intensitäts- und LaufzeitunterschiedenBeim natürlichen Hören treten Intensitäts- und Eintreffzeit-Unterschiede immer gemeinsam auf, wobei sich ihre Wirkungen summieren. Setzt man sie "entgegengesetzt" ein (beim natürlichen Hören nicht möglich, aber z. B. mit Kopfhörern), können sie sich aufheben. Abhängig von der Frequenz entspricht ein Zeitunterschied von 1 ms einem Intensitätsunterschied von 5 bis 12 dB. nach oben Einohriges RichtungshörenUrsache für diese einohrige Ortungsmöglichkeit sind frequenzselektive, sehr schmalbandige Reflexionen an der Ohrmuschel, die zu Überhöhungen und Absenkungen von bis zu 10 dB am Ort der Trommelfelle führen. Das Frequenzmuster dieser Reflexionen ist individuell (es gibt nicht zwei Menschen mit identischen Ohrmuscheln) und zudem unterschiedlich für die linke und rechte Ohrmuschel. Diese Erscheinung spielt unter anderem eine Rolle bei der vorn/hinten- und der oben/unten-Ortung. nach oben Die erste Wellenfront ist entscheidendEine Richtungsbestimmung ist auch in sehr halligen Räumen möglich, also dann, wenn der Pegel des diffusen, reflektierten Schalls grösser ist als der des direkten Schalls von der Schallquelle. Bei impulsartigen Schallvorgängen wird der Schall als aus der Richtung kommend empfunden, aus der die erste Wellenfront auf die Ohren auftrifft. Eine brauchbare Ortung ist aber nur möglich, wenn der diffuse Schall um 40 - 60 ms gegenüber dem direkten verzögert ist. Bei noch grösserer Verzögerung findet eine separate Richtungswahrnehmung statt. In einem sehr halligen Raum zum Beispiel nimmt man die erste Reflexion von der Raumrückwand getrennt wahr. nach oben Schätzen der EntfernungIn der Praxis wird die Entfernung einer Schallquelle aus dem Verhältnis zwischen direktem und diffusem Schall abgeschätzt. Eine genaue Entfernungsbestimmung ist nur in einem bekannten Raum möglich. In einem unbekannten Raum (oder bei Lautsprecherwiedergabe) lässt sich ein Entfernungsunterschied zwischen zwei Schallquellen nur feststellen, wenn die Hallanteile deutlich unterschiedlich sind. Bei kleinem Abstand eines Zuhörers von einer Schallquelle wird die Entfernung auf eine andere Art festgestellt: Strahlt eine Schallquelle den Schall kugelförmig ab, so nimmt der Schalldruck mit dem Quadrat der Entfernung von der Schallquelle ab und zwar unabhängig von der Frequenz. Die entfernungsabhängige Abnahme der Schallschnelle* ist dagegen linear und frequenzabhängig (Grund: massgebend ist die Wellenlänge). Das entfernungsabhängige Verhältnis der Intensitäten von Schalldruck und Schallschnelle ermöglicht eine Entfernungsbestimmung aufgrund der sich ändernden Klangfarbe. Diese Art der Entfernungsbestimmung ist nur bis zu einem Abstand von ca. 1.5 m von der Quelle möglich. * Die Schallschnelle gibt die Geschwindigkeit an, mit der sich ein "Luftteilchen" infolge eines Schallereignisses bewegt. Nicht zu verwechseln ist die Schallschnelle mit der Schallausbreitungs-geschwindigkeit (oder kurz Schallgeschwindigkeit), mit der sich die Schallwelle als Ganzes ausbreitet. Während die Schallschnelle von der Frequenz und vom Schalldruck abhängt, ist die Schallgeschwindigkeit eine Materialkonstante; in Luft beträgt sie ca. 340 m/s. nach oben
Verzögerungszeit, Länge der Schallwelle und Klangfarbe spielen dabei eine wichtige Rolle. Durch das Zusammenspiel dieser drei Faktoren kann das Gehirn den Schall orten. In der folgenden Beschreibung sind die zur Bestimmung der Schallrichtung ineinandergreifenden Abläufe einzeln aufgeführt. VerzögerungszeitDie Verzögerungszeit spielt eine besonders große Rolle bei der Bestimmung sogenannter Impulsklänge, z.B. einem Knall. Wenn so ein Geräusch neben der rechten Gesichtshälfte ertönt, gelangen die Schallwellen nicht gleichzeitig an beide Ohren. Die Verzögerungszeit kommt dadurch zustande, dass der Abstand zur Klangquelle vom linken Ohr ein wenig größer ist als vom rechten Ohr. Daher haben die Schallwellen einen weiteren Weg zum linken Ohr. Das Gehirn registriert die Verzögerungszeit und signalisiert uns, dass der Klang von einer Stelle nahe der rechten Gesichtshälfte stammt. SchallwellenlängeBei leisen, hohen Klängen (über 1 kHz) spielt die Schallwellenlänge eine entscheidende Rolle. Diese Klänge verfügen über eine begrenzte Wellenlänge von weniger als 30 Zentimetern. Wenn man Klänge mit begrenzter Wellenlänge aufnimmt, wirkt der Kopf wie ein Schutzwall. Kommt das Geräusch von rechts, hindert der Kopf die Schallwellen daran, das linke Ohr zu erreichen. Tiefe Bassklänge dagegen weisen eine größere Wellenlänge auf und erreichen beide Ohren. Die KlangfarbeWenn ein Geräusch nicht von der Seite, sondern von oben, von unten oder von vorne kommt, gibt es keine Verzögerungszeit zwischen den beiden Ohren. In solchen Situationen ist das äußere Ohr von Bedeutung, da es bei der Bestimmung der Klangfarbe hilft. Aus Erfahrung weiß man, dass die Klangfarbe bei der Bestimmung der Klangquelle helfen kann. Motorradfahrer z.B. fällt es oftmals schwer zu bestimmen, aus welcher Richtung ein Krankenwagen kommt, da der Helm die Klangfarbenbestimmung des äußeren Ohrs stark einschränkt.
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